Tag der offenen Tür im Menschenrechtszentrum Cottbus

Cottbus / Chóśebuz, 11. Juni 2017. Das Menschenrechtszentrum Cottbus, ein Verein, dem zur Gründung wie heute mehrheitlich politische Gefangene der DDR, die im Zuchthaus Cottbus einsaßen, angehören, wird dieses Jahr zehn Jahre alt. Aus diesem Anlass sind am Sonnabend, dem 17. Juni, ab 15 Uhr die Tore der Gedenkstätte Zuchthaus Cottbus auf der Bautzener Straße 140, die der Verein als Eigentümer betreibt, für die Öffentlichkeit kostenlos geöffnet.
Abbildung oben: Dieter Dombrowski, MdL, in einer nachgestellten, die zeitweise katastrophale Überbelegung des Zuchthauses zeigenden Zelle, im Gespräch zur Eröffnung der Dauerausstellung "Karierte Wolken" am 10. Dezember 2013. Rechts im Bild der als Plastinator bekanntgewordene Gunther von Hagens, der ebenfalls als poitischer Gefangener in Cottbus einsaß, bis ihn die Bundesrepublik freikaufte.

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Gefangene kauften ihren Knast

Thema: Menschenrechte

Menschenrechte

Menschenrechte sind weltweit Thema. Die Erinnerung an die "sozialistische Rechtsprechung" und das SED-Unrecht sowie die vorangegangene Nazi-Diktatur mahnen, auch in Deutschland Menschenrechte und Demokratie nicht als selbstverständlich hinzunehmen, sondern immer wieder dafür einzutreten.

Als sich am 31. Oktober 2007 das Menschenrechtszentrum Cottbus gründete, konnte kaum jemand die rasante Entwicklung dieses Vereins ahnen. Die Gründer hatten eine Vision: Aus dem einstigen berüchtigten Zuchthaus Cottbus eine Gedenkstätte zu schaffen, in der sowohl über das begangene Unrecht als auch über Menschenrechte gesprochen wird.

Im Jahr 2011 kaufte der Verein mit Hilfe des Landes Brandenburg und von Spendern das brach liegende Gefängnis mit sieben Gebäuden und samst 22.000 Quadratmetern Grundstück. Nach der ein Jahr dauernden Sanierung des ehemaligen Hafthauses 1 konnte der Verein als Eigentümer und Betreiber 2012 die Gedenkstätte Zuchthaus Cottbus eröffnen.

Ende 2013 folgte die Eröffnung der bemerkenswerten Dauerausstellung "Karierte Wolken – politische Haft im Zuchthaus Cottbus 1933-1989", die viel Anerkennung in der Fachwelt, bei Besuchern und Zeitzeugen gefunden hat.

Der Weg des Menschenrechtszentrums war und ist nicht einfach. Mit Unterstützung vieler ehemaliger Häftlinge, Bürger, zahlreicher Firmen, Institutionen, des Bundes, des Landes Brandenburg und der Stadt Cottbus ist eine einmalige – in Häftlingshand befindliche – Gedenkstätte geschaffen worden. Es ist schon einzigartig, dass am ehemaligen Unrechtsort, an dem Tausende junger Männer völlig zu Unrecht, häufig auf Basis konstruierter Anklagen und erpresster Beschuldigungen, einen Teil ihrer Jugend verloren, ein Menschenrechtszentrum entstanden ist.

Für seine Arbeit hat der Verein in der kurzen Zeit seiner Existenz sechs Auszeichnungen erhalten, zuletzt 2016 den Brandenburger Freiheitspreis. "Seit seiner Gründung ist Ziel unseres Vereins, nicht mit Hass auf das erlittene Unrecht zurück zu blicken, sondern zu erinnern, zu mahnen, damit dies nie wieder auf deutschem Boden passiert und einen Beitrag zur Versöhnung zu leisten. Aus diesem Grunde ist es für uns sehr bedeutend, Mitglied der weltweiten Nagelkreuzgemeinschaft zu sein, die für Versöhnung eintritt", so der politische Häftling und Vereinsgründer Dieter Dombrowski, der wegen eines Fluchtversuchs und "staatsfeindlicher Verbindungsaufnahme" in Cottbus einsaß und heute für die CDU im Brandenburgischen Landtag sitzt.

Zum zehnten Geburtstag des Vereins werden zahlreiche Akteure der ersten Stunde anwesend sein. Besucher haben die Möglichkeit sich mit der Dauerausstellung und zahlreichen anderen Sonderausstellungen, Filmen, Aktionen für die Menschenrechte und Gesprächen über die Arbeit des Vereins und der Gedenkstätte zu informieren.

Prädikat: Unbedingt hingehen!

Sonnabend, dem 17. Juni, ab 15 Uhr,
Gedenkstätte Zuchthaus Cottbus, Bautzener Straße 140, 03050 Cottbus:
Tag der offenen Tür
Eintritt frei!

Neben den Ausstellungen stehen folgende Angebote auf dem Programm:

  • 15.30 Uhr: "Zeitenwende-Lebenswende",
    Lesung mit dem Schauspielerehepaar Claudia Wenzel und Rüdiger Joswig.
    Die beiden Schauspieler reflektieren mit der Lesung ihre Erfahrungen aus der "DDR", aus der Umbruchszeit 1989/90 und im vereinigten Deutschland. 27 Jahre nach der Wiedervereinigung ziehen sie eine sehr persönliche Bilanz, die jedoch weit über das Private hinausgeht.

  • 17 Uhr: "China: Supermacht, aber ohne Menschenrechte",
    Vortrag und Diskussion mit Hubert Körper von der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte) und Frau Xu Hui, einer Zeitzeugin, die selbst die Hölle im berüchtigten Masanjia Zwangsarbeitslager in der Provinz Liaoning hautnah erlebt hat. Sie wurde wegen des Übens der Meditationspraktik Falun Gong verhaftet und ohne Gerichtsurteil für zwei Jahre im Zwangsarbeitslager interniert. Dort erlitt sie unvorstellbare Folterungen - Zwangsernährung mit Senföl, Elektroschocks, Aufhängen an den Armen, Anketten an ein Eisenbett für mehrere Tage, Prügel, Fußtritte, Beschimpfungen und Verleumdungen. Auch Bluttests und Organuntersuchungen wurden zum Zwecke der Organentnahme an ihr vorgenommen. Nach zwei Jahren Martyrium wurde sie schließlich mit 40 Kilogramm Körpergewicht todgeweiht als Krüppel entlassen. Mithilfe des Flüchtlingshilfswerkes der Vereinten Nationen (UNHCR) konnte sie später über einen Drittstaat nach Deutschland ausreisen. Frau Xu wird über ihr Schicksal berichten.

Um 15:30 und um 17 Uhr können die Besucher an einer einstündigen Führung durch die Gedenkstätte teilnehmen. Der Liedermacher und "DDR"-Häftling Detlef Jablonski begleitet den Tag mit seiner Musik

Besonderer Dank gilt der UKA Cottbus Projektentwicklung GmbH & Co. KG Cottbus für die Unterstützung der Festveranstaltung.

Kommentar:

Eine besondere Empfehlung – auch für Betriebskollektive und Schulklassen – ist die Dauerausstellung "Karierte Wolken". Sie bleibt nicht der allgemeinen Erfahrung "DDR" verhaftet, sondern wendet sich (neben dokumentarischen Aspekten) an die junge Generation und konfrontiert sie mit deren Lebensfragen.

Wer den Umgang mit gesellschaftlichen Entwicklungen und mit Politik lernen will, für den ist diese Ausstellung unverzichtbar,

meint Ihr Thomas Beier

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  • Quelle: red | Fotos: © Görlitzer Anzeiger
  • Erstellt am 10.06.2017 - 21:30Uhr | Zuletzt geändert am 11.06.2017 - 07:53Uhr
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