Wenn der Pflegefall eintritt, wird es ernst

Wenn der Pflegefall eintritt, wird es ernstGörlitz, 14. Dezember 2021. Von Thomas Beier. Nie ging es der Seniorengeneration so gut wie heute und wohl noch nie haben jene, die auf das Rentenalter zugehen, so sorgenvoll in die Zukunft geschaut: Der Traum vom unbeschwerten Rentnerdasein könnte für viele zum Albtraum werden. Gedanken darüber, wo der Sozialstaat seine Grenzen erreicht und wie persönliche Ausweichstrategien aussehen könnten.

Symbolfoto: congerdesign, Pixabay License
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Zunehmendes Problem: soziale Absicherung ohne familiäre Unterstützung

Es sind einige große Sorgenpunkte, die den künftigen Seniorengenerationen zu schaffen machen. Allerdings: Wer heute etwa unter Dreißig ist, macht sich vielleicht weniger Gedanken, das Alter ist weit weg. Doch die Zeit eilt mit Riesenschritten und die vielleicht lange verdrängten Fragen werden immer konkreter, wenn man sich dem Renteneintrittsalter nähert.

Wer wird sich um mich kümmern?

Wer sich um die Alten kümmert, ist längst in Veränderung begriffen. Gerade in ländlichen Strukturen war es oft die Familie, die unterstützte und pflegte – und hier fast immer die Frauen, die dafür auf berufliche Entwicklungsmöglichkeiten verzichteten.

Durch höhere Selbstverwirklichungsansprüche und finanzielle Ziele hat sich das geändert: Immer mehr Frauen sind in Vollzeit beruflich tätig mit der Folge: Für die Unterstützung der Älteren bleibt viel weniger Zeit. Die häusliche Pflege übernehmen verstärkt Dienstleister und der Umzug in ein Seniorenpflegeheim ist selbstverständlicher geworden.

Für die kommende Rentnergeneration kommen weitere Aspekte hinzu. Statt Familien gibt es immer mehr Singles, die ihren Daseinzweck nicht unbedingt in der Betreuung Älterer sehen. Außerdem werden Wohnorte heutzutage oft hunderte Kilometer entfernt vom Elternhaus gewählt, wodurch Unterstützung im Alltag und Pflege unmöglich werden.

Genau das ist der Sorgenpunkt: Viele Ältere, die selbst irgendwann einmal in die Ferne umgezogen sind und deren Kinder es ihnen gleichtaten und weiterzogen, verfügen an ihrem Wohnort über keinerlei wirklich tragfähiges soziales Netzwerk. Sie sind – je nach körperlicher und geistiger Verfassung – in allen Fragen auf Dienstleister angewiesen, etwa in bürokratischen Dingen, bei der Reinigung, beim Einkauf und nicht zuletzt wenn es darum geht, wie man die häusliche Pflege gewährleisten kann.

Die verlinkte Seite führt zu pflegewelt.org, wo umfassende Informationen rund um die Pflege zusammengestellt sind und eine Orientierung darüber bieten, an was alles gedacht werden muss. Künftige Seniorengenerationen werden nicht umhin kommen, ihr Leben im Alter inklusive alles Eventualitäten umfassend vorzuplanen und die entsprechenden Vorsorgeentscheidungen zu treffen.

Wird die Rente reichen?

Angesichts der aktuell wieder aufgeflammten Inflation und der Probleme des auf Bevölkerungswachstum oder mindestens -konstanz beruhenden Bismarckschen Generationenvertrags, wonach die Erwerbstätigen mit ihren Renteneinzahlungen die Älteren finanzieren, steht auch die Frage der Finanzierung des Alters stärker im Raum.

Während heutige Rentner oft noch selbst aus ihrer Rente ihren Platz im Alten- oder Pflegeheim finanzieren können, wird das künftig wohl schwieriger werden. Nicht nur die Energiekosten und die geforderte bessere Bezahlung des Pflegepersonals werden die Heimkosten in die Höhe treiben – und das bei nur langsam steigendem Rentenniveau.

Hinzu kommt: Immer mehr werden auf die Grundsicherung im Alter angewiesen sein, denkt man etwa an jene, die sich regelmäßig mit Minijobs durchs Leben geschlagen haben. Gut hat es, wer privat vorsorgen konnte, doch das sind oft ausgerechnet jene, die eine ausreichende Rentenzahlung erwarten dürfen.

Von unzureichenden Renten nährt sich ein Monster, dass mittlerweile groß und fett ist: die Bürokratie. Sich informieren, Anträge stellen, Abrechnungen einreichen – das hält Senioren, ihre Betreuer und anderen Unterstützer auf Trab. Nur ein Beispiel sind die Erstattungsanträge für Eigenanteile, die für verordnete Leistungen gezahlt wurden. Spricht man mit Verantwortungsträgern aus Verwaltungen und Behörden, dann ist man dort schon um Bürokratieabbau bemüht, aber oft genug fühlt sich der Bürger ohnmächtig ausgeliefert.

Muss die Gesellschaft umdenken?

In Deutschland ist die Meinung verbreitet, nach einem anstrengenden Arbeitsleben winke der "wohlverdiente Ruhestand". Dieses Ziel vor Augen wird so einiges in Kauf genommen: lange Arbeitswege und Arbeitszeiten, Leistungsdruck und Arbeiten unter unangenehmen Bedingungen etwa. Allerdings ist das mit Renteneintritt schlagartige Ausscheiden aus dem Berufsleben durchaus ein Gesundheitsrisiko für den, der nicht in der Lage ist, sich selbst oder sich etwa ehrenamtlich zu beschäftigen.

Größter Denkfehler in Bezug auf die gesetzliche Rente ist es aber, man habe sich den Ruhestand verdient – nein, verdient hat man den Ruhestand derer, die von den Einzahlungen in die Rentenkasse durch das Umlageverfahren profitierten. Im eigenen Alter daraus einen Anspruch an die noch Erwerbstätigen abzuleiten ist zwar sogar verfassungsrechtlich geregelt, hat aber praktische Grenzen, wenn es etwa um die bei bisherigen Generationen gewohnte Rundum-Absicherung geht.

Schaut man nach Südkorea, so findet sich dort ein interessantes Modell, das eine Anregung für die persönliche Lebensplanung sein kann: Industriemanager bauen sich im Alter eine neue, zum bisherigen Berufsleben oft völlig artfremde selbständige Existenz etwa als Imbissbetreiber auf. Sie schlagen damit zwei Fliegen mit einer Klappe, denn sie sichern sich ein Einkommen und bleiben zugleich beansprucht und sozialisiert.

Ziel kann in diesem Sinne nicht sein, sich wie im deutschen gesetzlichen Rentensystem seinen Ruhestand von jüngeren Erwerbstätigen finanzieren zu lassen, sondern rechtzeitig zu überlegen, wie man nach dem Ausscheiden aus dem Berufsleben noch ein Einkommen generieren kann.

Wichtigste Grundlage dafür ist jedoch ein Paradigmenwechsel: Arbeit nicht als zu ertragende Last zu empfinden, sondern sie so zu gestalten, dass man sein Schaffen als Lust empfindet. Macht die Arbeit Spaß und wird sie gern erledigt, gewinnt sie den Charakter bezahlter Freizeit. Das sind zugegeben ungewohnte Gedanken, aber die Gedanken sind ja bekanntlich frei.

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  • Quelle: Thomas Beier | Foto: congersedign / congerdesign, Pixabay License
  • Erstellt am 14.12.2021 - 10:30Uhr | Zuletzt geändert am 14.12.2021 - 12:04Uhr
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