Fortschritte in der Stammzellenforschung – EMA empfiehlt Stammzelltherapie für EU-Zulassung

Landkreis Görlitz, 21. Januar 2015. Im Landkreis Görlitz haben sich unterschiedliche Medizintechnik- und Biotechnologie-Unternehmen angesiedelt. Aber auch in der Bevölkerung steigt das Interesse am medizinischen Fortschritt, weshalb der Görlitzer Anzeiger heute das Thema "Stammzellen" aufgreift. Stammzellen spielen in der medizinischen Forschung seit Jahrzehnten eine elementare Rolle. Adulte Stammzellen, die beispielsweise aus dem Knochenmark entnommen werden, sowie Stammzellen aus dem Nabelschnurblut haben bereits wertvolle Dienste geleistet. In vielen Bereichen steht die Medizin allerdings noch am Anfang. Die Europäische Arzneimittelagentur, kurz EMA, hat nun erstmalig ein medizinisches Verfahren für die EU-Zulassung empfohlen, das auf körpereigenen Stammzellen basiert.

Anzeige

Anwendungsmöglichkeiten von Stammzellen aus Nabelschnurblut

Die Forschung mit adulten Stammzellen hat in der Vergangenheit bereits große Fortschritte gemacht. Die Stammzellen werden aus dem menschlichen Knochenmark oder anderen Organen entnommen und für die Wiederherstellung von defekten Zellen eingesetzt, um Krankheiten zu heilen. Problematisch an dieser Art Stammzellen ist die Tatsache, dass diese sich im Vergleich zu embryonalen Stammzellen nicht in sämtliche Zelltypen verwandeln können. Zudem ist die Entnahme aufwändig, kostspielig und für den Patienten mit Risiken verbunden.

Embryonale Stammzellen hingegen sind zwar vielversprechend, aber ethisch nicht vertretbar. Schließlich müssen für die Züchtung zu Forschungszwecken Embryonen heranwachsen und später zerstört werden. In Deutschland gilt ein Verbot für die künstliche Herstellung dieser Zellen zu Forschungszwecken.

Eine Alternative zu diesen beiden Stammzellen-Arten sind Stammzellen aus dem Nabelschnurblut. Die Entnahme ist risiko- und schmerzfrei, ethisch gibt es keinerlei Bedenken. Des Weiteren sind derartige Stammzellen vitaler als die adulten Vertreter aus Knochenmark und Organen. Das Potenzial von Stammzellen aus der Nabelschnur wird unter anderem auf der Interpräsenz der privaten Stammzellenbank Vita 34 verdeutlicht: "Jede der ca. 100.000.000.000.000 (100 Billionen) Körperzellen eines Erwachsenen geht aus einer Stammzelle hervor. Die natürlichen Aufgaben von Stammzellen sind Aufbau, Regeneration und Reparatur. Diese Fähigkeiten der Stammzellen nehmen – ausgehend von der befruchteten Eizelle – bereits während der Embryonalentwicklung und später während des gesamten Lebens kontinuierlich ab. Dies erklärt, warum junge Stammzellen für eine medizinische Anwendung von besonderem Interesse sind."

Dass die private Einlagerung von Nabelschnurblut für spätere, eventuelle Bedarfsfälle generell stark zugenommen hat, beweist die erhöhte Nachfrage nach Stammzellenbanken. Die Zahl der Menschen, die Spender und Empfänger in einer Person sind (autologe Transplantation), nimmt zu. Die Grafik zeigt die Entwicklung der Nabelschnurbluttransplantationen zwischen 1992 und 2011:

Statistik der Nabenschnurbluttramnsfusionen 1992 - 2011
Während die autologe Transplantationsform zwischen 1992 und 1996 noch keinerlei Rolle spielte, machte sie zwischen 2007 und 2011 bereits 67 Prozent aus.

EMA Empfehlung für Holoclar

Einem medizinischen Verfahren, das auf körpereigenen Stammzellen basiert, wurde nun erstmals von der EMA die Empfehlung für die EU-Zulassung zugesprochen. Es handelt sich um eine Behandlungsform für LSCD, einer seltenen Augenerkrankung. Wird bei Verletzungen des Auges der Limbus verletzt, was beispielsweise durch starke Hitze oder chemische Substanzen passieren kann, sind markante Einschränkungen möglich. Im Limbus sind wertvolle Stammzellen angesiedelt. Sie sind für eine kontinuierliche Regeneration und Erneuerung des Auges zuständig. Schäden am Limbus, also am Übergang von Iris zur Sklera, können die Limbusstammzellinsuffizienz zur Folge haben, kurz LSCD. Mit dieser Erkrankung einhergehen Lichtempfindlichkeit, Schmerzen und Beeinträchtigungen der Sehstärke. Auch der Verlust des Augenlichtes ist möglich.

Bisher konnte LSCD ausschließlich durch Hornhauttransplantation behandelt werden, welche problematisch ist und oft durch die Suche nach passenden Spendern verzögert wird. Mit dem sogenannten "Holoclar", das aus autologem und damit patienteneigenem Gewebe entwickelt wurde, verspricht sich die Forschung gute Erfolgsaussichten. Entwickelt wurde Holoclar von Chiesi Farmaceutici S.p.A., einem italienischen Unternehmen. Anders als bei der Hornhauttransplantation wird kein fremdes Gewebe eingesetzt, sondern körpereigenes, wodurch die Heilungschancen steigen. Das autologe Gewebe wird im Auge aus einem gesunden Bereich entnommen. In einer Zellkultur wächst es dann heran, um später das verletzte Hornhautgewebe zu ersetzen. Die Zulassungsempfehlung der EMA ist laut Experten ein wichtiger Schritt in Richtung Therapieverfahren.

Stammzellen als Knochenersatz?

Ähnlich vorstellbar wie das von der EMA empfohlene Therapieverfahren zur Behandlung von LSCD ist eine weitere Form der potenziellen Nutzung von Stammzellen. Im Bereich der Kieferchirurgie könnten Implantate mit Stammzellen besiedelt werden, um im Kiefer als Knochenersatz zu dienen. Notwendig werden derartige Methoden, weil Zahnärzte fehlende Zähne mit implantatverankerten Prothesen nur dann ersetzen können, wenn die Kieferknochenstruktur stabil genug ist. Fehlt eine stabile Knochenstruktur, muss diese aufgebaut werden. Bei vielen Patienten werden dafür Knochen aus Beckenkamm oder Unterkiefer entnommen und an entsprechender Stelle eingesetzt.

Da hierfür allerdings weitere Operationen notwendig sind, was zusätzlich mit Schmerzen verbunden ist, wird an Alternativen geforscht. Im Onlineportal unter aerztezeitung.de wird Dr. Dr. Siegmar Reinert, Ärztlicher Direktor der Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie (MKGC) am Universitätsklinikum Tübingen, zitiert: "Stammzellen wären deshalb ein sehr eleganter und schonender Weg.“

Die Leiterin des Forschungslabors und Stammzellforscherin Dr. Dorothea Alexander-Friedrich ist derzeit mit der Entwicklung einer neuen Methode beschäftigt: Mit autologen Stammzellen, die aus der Kieferknochenhaut entnommen werden, sollen fehlende Knochen aufgefüllt werden. Aufgrund ihrer positiven Eigenschaften sind die Zellen in der Lage herkömmliche Implantate zu besiedeln, um deren Einwachsen in das Umgebungsgewebe zu fördern und zu beschleunigen. Die Herstellung derartiger Implantate für die Deckung von Knochendefekten soll im Labor bereits funktionieren. Alexander-Friedrichs: "Wir hoffen, dass wir in den nächsten Jahren dazu fähig sind, Patienten mit diesen Implantaten im Kieferbereich zu helfen."

Kommentare Lesermeinungen (0)
Lesermeinungen geben nicht unbedingt die Auffassung der Redaktion, sondern die persönliche Auffassung der Verfasser wieder. Die Redaktion behält sich das Recht zu sinnwahrender Kürzung vor.

Schreiben Sie Ihre Meinung!

Name:
Email:
Betreff:
Kommentar:
 
Informieren Sie mich über andere Lesermeinungen per E-Mail
 
 
 
Weitere Artikel aus dem Ressort Weitere Artikel
  • Quelle: red | Foto Auge: Guliamar / Giulia Marotta; Foto Mann am Okular: PublicDomainPictures; beide pixabay, Lizenz CC0 Public Domain.
  • Erstellt am 21.01.2015 - 16:56Uhr | Zuletzt geändert am 21.01.2015 - 18:18Uhr
  • drucken Seite drucken
Anzeige