Ellis Island - Migration als Bruch im Lebenslauf

Görlitz, 21. November 2015. Von Thomas Beier. Städtisches Leben kann man mit Kultur anreichern auf zwei Wegen: Man gründet eine Gesellschaft, die auf Gedeih und Verderb finanziert wird und sich überlegt, wie sie ihrer "Zuständigkeit für Kultur" gerecht werden könnte - oder: Man lässt Leute wenigstens gewähren (man muss ja nicht gleich fördern), deren Herzen für Kunst und Kultur brennen. Zum Glück gibt es letztere In Görlitz, sonst würde hier so viel fehlen, dass noch mehr junge Leute ihren Lebensweg lieber woanders fortsetzen würden. Das Projekt "Bohemian Crossings - Crux Bohemica" der Freien Künstlergruppe "Die Lebenden" aus Görlitz hat am vergangenen Mittwoch das brandaktuelle Thema Migration aufgegriffen.

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Historische Migrationsbewegungen im Kontext zur Gegenwart

Gezeigt wurde in den Verrätergassenhöfen der englischsprachige Kurzfilm "Ellis" über eine Kunstinstallation von JR auf Ellis Island, jener Insel, auf der die Auswanderer in die USA anlandeten. Anhand einer Migrantengeschichte wurde mit Robert de Niro in der Hauptrolle vermittelt, wie nahe sich bei Migrationsbewegungen - Auswanderung oder Flucht - Verzweiflung, Hoffnung, Hilflosigkeit und Enttäuschung kommen.

Wer lässt schon gern seine Familie hilflos zurück? Die Ankunft in einem neuen Land birgt immer Chancen, aber nie die Garantie auf Erfolg. Das verdeutliche Danielle Höfler, als sie aus dem Tagebuch einer deutschen Emigrantin las, die mit Beginn der Naziherrschaft die Zeichen der Zeit erkannt hatte und 1935 nach Palästina auswanderte. Andere, die an das gute Deutschland, das Land der Kultur, an einen vorübergehenden Spuk vom Nationalsozialismus elektrisierter "national denkender Kreise" und sich gegen "Überfremdung" wehrender Rassisten glaubten und blieben, zahlten dafür mit Erniedrigung und ihrem Leben.

Die Musik zum Abend steuerte der Gitarrist und Sänger Daniel Jurke (Kontakt: d.jurke@web.de) bei. "Noch ein paar Schläfenlöckchen und er könnte perfekt jiddische Lieder singen", raunte meine Nachbarin. Das allerdings kann er gewiss auch ohne Löckchen.

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  • Quelle: Thomas Beier | Fotos: Daniel Arnold
  • Erstellt am 21.11.2015 - 10:40Uhr | Zuletzt geändert am 22.11.2015 - 08:39Uhr
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