Der Streit geht weiter

Dresden. Die Ministerpräsidentenkonferenz hat am 14. Juni 2007 auf Vorschlag Sachsens einstimmig entschieden, dass die nach den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und des OVG Sachsen zur Waldschlößchenbrücke sich ergebenden Konsequenzen für die innerstaatliche Reichweite der Geltung der Welterbekonvention geklärt werden sollen. Die Aufgabe werden die Chefs der Staatskanzleien unter Beteiligung der Kultusministerkonferenz und der Justizministerkonferenz übernehmen. Auch die Bundesregierung wird um Mitwirkung gebeten. Bis Januar 2008 soll den Ministerpräsidenten ein Bericht vorgelegt werden. Der sächsische Ministerpräsident Milbradt sagte: "Durch den Beschluss der Ministerpräsidenten besteht die Möglichkeit, die aufgetretenen Rechtsfolgen zur Reichweite der Welterbekonvention sachlich zu klären." Die Initiative zu diesem Beschluss ging vom Freistaat Sachsen aus. Zugleich wurde die parallel tagende Kultusministerkonferenz (KMK) gebeten, von einer eigenen Beschlussfassung zur innerstaatlichen Reichweite der Welterbekonvention abzusehen. Inzwischen hat sich Milbradt am 14. Juni 2007 mit einem Brief, den wir nachstehend wiedergeben, an Bundesbauminister Tiefensee gewandt.

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Waldschlößchenbrücke - Milbradt schreibt an Tiefensee

Sehr geehrter Herr Bundesminister,

für Ihre Schreiben vom 4. April 2007 und 11. Juni 2007 danke ich Ihnen. Bitte haben Sie Verständnis, dass ich Ihnen erst nach der Bekanntgabe der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts antworte.

Sie teilen mit, Ihre Prüfung habe ergeben, "dass die für Bund und Länder geltenden völkerrechtlichen Pflichten bei der Auslegung und Anwendung des Gesetzes zur Entflechtung von Gemeinschaftsaufgaben und Finanzhilfen zu beachten" seien. Das Bundesverfassungsgericht, der Sächsische Verfassungsgerichtshof und das Oberverwaltungsgericht Bautzen haben im Gegensatz zu Ihrem Prüfergebnis mit ihren Beschlüssen die Rechtsauffassung der Sächsischen Verwaltung eindeutig bestätigt. Danach stehen völkervertragliche Verpflichtungen der Welterbekonvention dem Bau der Waldschlößchenbrücke nicht entgegen.

Nach der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Bautzen bestehen sogar Zweifel, ob die Welterbekonvention für den Freistaat Sachsen innerstaatliches sächsisches Recht berührt. Die Ratifizierung der Welterbekonvention ist nur auf der Grundlage eines Kabinettsbeschlusses der Bundesregierung erfolgt; ein Transformationsgesetz ist nie erlassen worden.

Der Bau der Waldschlößchenbrücke ist keine Verletzung einer völkerrechtlichen Verpflichtung. Die Stadt Dresden hat den Welterbe-Titel ?einer sich entwickelnden Kulturlandschaft? erhalten, wobei schon in der Antragsstellung die Planungsunterlagen zur Brücke beigefügt wurden und darauf ausdrücklich aufmerksam gemacht wurde. Die damalige ICOMOS Kommission hat nach einer Ortsbesichtigung die bekannten Brückenpläne mit dem Welterbestatus für vereinbar erklärt. Die positive Begutachtung durch ICOMOS war Voraussetzung für die Anerkennung als Welterbestätte. Erst nach dem Bürgerentscheid hat die UNESCO ihre Beurteilung gerändert, ohne dass eine Änderung des Sachverhaltes eingetreten wäre. Eine solche Vorgehensweise entspricht nicht rechtsstaatlichen Grundsätzen.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 29.5.2007 die Entscheidung des Sächsischen Oberverwaltungsgericht bestätigt und darüber hinaus festgestellt: "Selbst wenn das Gericht im Hauptsacheverfahren zu dem Ergebnis kommen sollte, dass die Welterbekonvention - auch unter Beachtung der zusätzlichen föderalen Besonderheiten des Falles - auf der Grundlage von Art. 59 Abs. 2 GG formal wirksam in die deutsche Rechtsordnung transformiert worden ist, stünden völkervertragliche Verpflichtungen einer Entscheidung für die Umsetzung des Bürgerentscheids nicht notwendig entgegen. Die Welterbekonvention, in der die Idee eines internationalen Kulturgüterschutzes zum Ausdruck kommt, bietet nach Konzeption und Wortlaut keinen absoluten Schutz gegen jede Veränderung der eingetragenen Stätten des Kultur- und Naturerbes. Die Vertragsstaaten des Übereinkommens haben ausdrücklich die Souveränität der Staaten, in deren Hoheitsgebiet sich die geschützten Stätten befinden, und die bestehenden Eigentumsrechte anerkannt (Art. 6 Abs. 1 der Welterbekonvention)".

Damit hat das höchste deutsche Gericht klar und eindeutig die Reichweite völkerrechtlicher Verpflichtungen festgestellt.

Der Bund ist zur Kürzung von Finanzzuweisungen nach dem Entflechtungsgesetz zweifelsfrei nicht berechtigt. Nach § 5 Abs. 3 Entflechtungsgesetz sind die dort genannten Mittel des Bundes zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden einzusetzen, was beim Bau der Waldschlößchenbrücke unzweifelhaft zutrifft. Die Zweckbindung ist verkehrspolitischer Art und abschließend. Sie enthält weder einen allgemeinen Vorbehalt der Vereinbarkeit des geförderten Vorhabens mit völkerrechtlichen Vorgaben, noch eine ausdrückliche Verankerung von Anforderungen der Welterbekonvention. Der Anspruch des Freistaates Sachsen ist verfassungsrechtlich durch Art. 143c Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes abgesichert. Die Vorgaben des Entflechtungsgesetzes können nicht erweiternd unter einen Vorbehalt gestellt werden, ohne verfassungsrechtliche Rechte des Freistaates Sachsen zu verletzten. Auch im Rahmen eines nachträglichen Verwendungsnachweises erfolgt daher keine Prüfung der Völkerrechtskonformität einer Finanzzuweisung. Für eine derartige Prüfung besteht im Verhältnis zwischen Bund und Land keine gesetzliche Grundlage.

Aus diesen Gründen gehe ich davon aus, dass das von Ihnen vorgestellte Prüfergebnis eine innerhalb der Bundesregierung nicht abgestimmte Einzelmeinung wiedergibt.

Ziel des Freistaates Sachsen und meines Engagement war es stets, den Bürgerwillen im Rahmen des geltenden Rechts umzusetzen. Nach den klaren gerichtlichen Entscheidungen und der langjährigen Diskussion ist der demokratische und rechtsstaatliche Entscheidungsprozess an seinem Ende angekommen. Die von der Stadt Dresden gegen den Auftrag des Bürgerentscheids bestellten neuen Brückenentwürfe haben bereits erneute ästhetische Diskussionen ausgelöst. Die bislang vorliegenden Entwurfsskizzen lassen darüber hinaus erkennen, dass jede der vorgelegten Varianten eine erneute Beteiligung der Träger öffentlicher Belange erfordern würde und somit die erneute Durchführung eines vollen Planfeststellungsverfahrens. Die Verfolgung der neuen Entwürfe versetzt den Entscheidungsprozess und die verkehrstechnische Entwicklung Dresdens zurück in den Zustand vor zehn Jahren.

Ich erwarte, dass auch der Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung die ergangenen höchstrichterlichen Entscheidungen respektiert und in umgekehrter Anwendung des Grundsatzes der Bundestreue dem eindeutigen Bürgerwillen der Dresdner zur Durchsetzung verhilft.

Mit freundlichen Grüßen

Georg Milbradt

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  • Quelle: /red
  • Erstellt am 14.06.2007 - 18:16Uhr | Zuletzt geändert am 14.06.2007 - 18:22Uhr
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