Wer dient den Interessen der Stadt Görlitz?

Wer dient den Interessen der Stadt Görlitz?Görlitz, 11. Oktober 2009. Nein, geheim ist das nicht, was die Stadtratsfraktionen von CDU/FDP und Bürger für Görlitz/Grüne am 7. Oktober 2009 an den Görlitzer Oberbürgermeister Joachim Paulick geschrieben haben. Es wirft aber ein grelles Licht auf die Ziele der Interessengruppen. Während öffentlich Projekte wie das Helenenbad diskutiert werden, sollen – so lässt das untenstehende Schreiben vermuten – klammheimlich das Tafelsilber verscherbelt und städtische Lebensqualität reduziert werden.

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Den Reim darauf kann sich jeder Bürger selbst machen

Den Reim darauf kann sich jeder Bürger selbst machen
Im Kommando-Ton fordern CDU, FDP, der Bürger-für-Görlitz-Verein und die Grünen Mittelkürzungen und den Verkauf städtischen Eigentums

Es ist beleibe kein Fehler, wenn eine Verwaltung Aufgaben ausgliedert oder in privatwirtschaftliche Strukturen überführt. Aber es ist auch kein Allheilmittel, das in jeder Situation und unter allen Umständen wirkt.

Deshalb ist beispielsweise zu überlegen, ob eine Stadt wie Görlitz auf die Untere Denkmalschutzbehörde verzichten kann oder gar muss. Schließlich waren es Mitarbeiter des Denkmalschutzes, denen zu verdanken ist, dass die Görlitzer Altstadt vierzig Jahre realsozialistischen Aufbaus zum allergrößten Teil überlebt hat.

Das Städtische Klinikum Görlitz an den Landkreis?

Ein besonderes G´schmäckle hat das Ansinnen, das Städtische Klinikum, das eine gesunde gemeinnützige GmbH ist, dem Landkreis ganz oder teilweise zu verkaufen – quasi als Ausgleich für die Übernahme der Musiktheater Oberlausitz-Niederschlesien GmbH (nicht gemeinnützig, aber zuschuss-süchtig) und für einen möglichen Betriebszuschuss für die Görlitzer Stadthalle. Dazu muss man wissen, dass die Kommunen in Ihrer Wirtschaftsführung von der Kammeralistik zur doppelten Buchführung (Doppik) übergehen. Und da würde der Wegfall des Städtischen Klinikums, wie man so schön sagt, die Bilanz vermasseln.

Busse auf der Berliner Straße?

Die von den Fraktionen geforderten Einsparungen im Öffentlichen Personen- und Nahverkehr (ÖPNV) hätten mit höchster Wahrscheinlichkeit einen eklatanten Einschnitt in das tägliche Leben der Stadt zur Folge: Der Wegfall der Straßenbahn als benutzerfreundliches und abgasfreies Verkehrsmittel und vor allem als ein Symbol städtischen Lebens. Sollen auf der Berliner Straße dann Busse fahren? Anstelle über die Erweiterung des Straßenbahnnetzes über die Stadtbrücke nach Zgorzelec nachzudenken, würden Investitionen in den Sand gesetzt. Die Wendeschleife am Görlitzer Klinikum ist ein trauriges Denkmal.

Einsparungen um jeden Preis?

Was "Personalkosteneinsparung" und "Zuschusskürzung" bedeuten, liegt auf der Hand: Wegfall von Arbeitsplätzen und Einschränkung der Handlungsfähigkeit.

Für eine Stadt wie Görlitz ist es wenig hilfreich, sich in eine (so noch garnicht vorhandene) Wirtschaftsförderung einordnen, die einen Landkreis von hundert Kilometer Nord-Süd-Ausdehnung betreut, der zudem wirtschaftlich höchst unterschiedlich strukturiert ist. Hinzu kommt die besonderheit des Doppelstadt-Charakters, wie er auch in der Firmierung der Görlitzer Wirtschaftsförderung als Europstadt GörlitzZgorzelec GmbH zum Ausdruck kommt. Wer Kräftekonzentration mit Vereinheitlichung verwechselt, hat die Marktwirtschaft als Spiel konkurrierender Kräfte nicht verstanden.

Der Görlitzer Wirtschaftsförderung darf bescheinigt werden, die zur Verfügung stehenden Mittel konzentriert einzusetzen, so bei wirksamen Plakataktionen, in der Pressearbeit und auf Messen. Görlitz ist längst eine Marke im Tourismusgeschäft geworden, während es im Landkreis - man denke nur an Bad Muskau, die Zentral-Lausitz-Idee oder das Zittauer Gebirge - Reserven gibt.

Über politische Inhalte und Ziele lässt sich freilich streiten, über den Ton, in dem das Schreiben gehalten ist, allerdings nicht. Hier offenbaren sich Interessenlagen und politischer Stil,

denkt Ihr Fritz R. Stänker

Ergebnis: Soll Görlitz die Straßenbahn behalten?

unbedingt (69.3%)
 
eventuell (4.5%)
 
egal (4.8%)
 
keinesfalls (20.8%)
 
weiß nicht (0.6%)
 
Nichtrepräsentative Umfrage
Umfrage seit dem 11.10.2009
Teilnahme: 355 Stimmen
Kommentare Lesermeinungen (2)
Lesermeinungen geben nicht unbedingt die Auffassung der Redaktion, sondern die persönliche Auffassung der Verfasser wieder. Die Redaktion behält sich das Recht zu sinnwahrender Kürzung vor.

Diskussionspapier

Von Rolf Domke am 13.10.2009 - 13:59Uhr
Werte Frau Reich,

dieses Schreiben ist kein Diskussionspapier, sondern ich lese eine Zurechtweisung und Forderungen.

Und die von Ihnen gewünschte konstruktive Zusammenarbeit aller Fraktionen, die m.E. der einzige Weg zur Auflösung des empfundenen Chaos sein kann, ist in diesem Schreiben leider nicht erkennbar.

Meines Wissens war über dieses Schreiben bzw. dessen Inhalt und Form nicht mal die CDU-Fraktion vollständig informiert.

Diskussionspapier

Von Yvonne Reich am 13.10.2009 - 00:23Uhr
Wie wäre es mit einer konstruktiven Zusammenarbeit aller Fraktionen?

Stimmt, es geht um die Stadt.

Wir sollten Wege aus dem Chaos finden.

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  • Quelle: /red | /Fritz Rudolph Stänker
  • Erstellt am 11.10.2009 - 11:30Uhr | Zuletzt geändert am 05.01.2020 - 10:13Uhr
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