Malteser wollen Portfolio bereinigen

Malteser wollen Portfolio bereinigenGörlitz, 1. November 2019. Update 2. November 2019. Auch wenn es mancher nicht gern hören mag: Medizin ist ein Geschäft, zudem eines, in dem der Kunde dazu verdammt ist, der Patient (lat: der Duldende) zu sein. Im Krankenhaus liefert er sich der Expertise einer höchst komplexen Organisation aus und weiß oft genug nicht, was, wie und warum ihm geschieht.

Welche Nachricht das Täubchen auf dem Kreuz des Görlitzer St. Caroluskrankenhauses vor drei Tagen wohl gebracht hat? Oder ist es gar eine garstige Krähe?
© Görlitzer Anzeiger
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Drei Viertel der Malteser-Krankenhäuser stehen zum Verkauf

Auf der anderen Seite die Krankenhäuser als Gesundheitsdienstleister: Mit der seit dem Jahr 2003 schrittweisen Einführung der Fallschauschalen (DRG, Diagnosys Related Groups) versuchten die Krankenkassen, die Krankenhäuser zu motivieren, stärken auf ihre Kosten zu achten. Wenn für die Behandlung eines Patienten in aller Regel nur eine diagnose- und altersabhängige Fallpauschale gezaht wird, ist es für das Krankenhaus nicht mehr attraktiv, übertriebenen Aufwand zu treiben und den Patienten möglichst lange auf Station zu halten. Natürlich sind die DRGs in praxi nicht ganz so simpel: Geht ein Patient vor dem Verweildauerkorridor nach Hause, muss das Krankenhaus etwas zurückzahlen, bleibt er begründet länger, gibt es frisches Geld.

Im Grunde genommen stehen die Krankenhäuser und Klinika in Deutschland heutzutage finanziell gar nicht so schlecht da – wenn nur der Wettbewerb nicht wäre. Der zwingt, in teure Spezialisten ebensio zu investieren wie in teure Technik. Das führt innerhalb der Organisationen durchaus zu heftigen Verteilungskämpfen, hängt doch nicht zuletzt die Reputation eines Chefarztes davon ab, wie seine Klinik mit Mensch und Material ausgestattet ist.

Was genau die Malteser nun dazu bewogen hat, drei Viertel ihrer acht Krankenhäuser – darunter St. Carolus in Görlitz und St. Johannes in Kamenz – zu verkaufen, ist vermutlich der Weitblick für die Entwicklungen im Gesundheitsmarkt, ganz unabhängig davon, ob man diese nun positiv oder negativ bewertet. Längst sind Krankenhauskonzerne wie zum Beispiel die zu Fresenius gehörende Helios-Kliniken-Gruppe, die allein mehr als 100 Klinika und Kliniken umfasst, die großen Spieler im deutschen Gesundheits-Dienstleistungsmarkt. Im Zuge der Konzentrationsprozesse geraten kleinere Betreiber und Einzelhäuser unter Druck.

Die Görlitzer Stadtverwaltung ereilte die Nachricht vom beabsichtigten Verkauf des St. Carolus wie ein Blitz aus heiterem Himmel; so sagte der Görlitzer Oberbürgermeister Octavian Ursu: "Die Nachricht, dass die Malteser Deutschland gGmbH unter anderem das Görlitzer St. Carolus-Krankenhaus verkaufen will, kam sehr überraschend. Nach zahlreichen Gesprächen in den vergangenen Monaten, schien der Görlitzer Standort auf einem guten Weg mit klaren Zukunftsplänen zu sein. Das wurde mehrfach von der Führungsebene der Malteser zugesichert und war auch Grundlage eines Gesprächs mit der Geschäftsführung des St. Carolus-Krankenhauses zu weiteren Entwicklungs- und Kooperationsmöglichkeiten Anfang dieser Woche. Die Enttäuschung darüber, dass nun ein anderer Weg eingeschlagen wird, ist groß. Dass darüber von den Maltesern zunächst in den Medien informiert wurde, hat viel Vertrauen zerstört. Fest steht, dass das St. Carolus-Krankenhaus neben dem Städtischen Klinikum wichtig für die medizinische Versorgung für Görlitz und die Region ist. Wir werden dafür kämpfen, dass es eine gute Lösung gibt, um die Arbeitsplätze erhalten zu können."

CDU Görlitz: Städtisches Klinikum soll Kauf von St. Carolus prüfen

Nach Bekanntwerden der erneuten Verkaufsabsichten der Malteser hat der Görlitzer CDU-Stadtverband vorgeschlagen, dass Aufsichtsrat und Geschäftsführung des Städtischen Klinikums unverzüglich die Option des Kaufes des St.-Carolus-Krankenhauses prüfen. Ziel müsse es sein, die Arbeitsplätze und den Krankenhausstandort in Görlitz-Rauschwalde zu sichern. Durch den Kauf sollen, so der CDU-Sadtverband, die strategischen Voraussetzungen für effiziente und nachhaltige Strukturen der stationären Gesundheitsversorgung in unserer Stadt geschaffen werden. Oberbürgermeister Octavian Ursu wird gebeten, sich der notwendigen Unterstützung durch das Sächsische Staatsministerium für Soziales und Verbraucherschutz zu versichern.

Update 2. November 2019

Statement aus dem sächsischen Sozialministerium

Am späten Nachmittag des gestrigen 1. Novembers ging ein Pressestatement des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Verbraucherschutz in der Redaktion ein: "Die Absicht der Malteser, die beiden Krankenhäuser in Görlitz und Kamenz zu verkaufen, kam völlig überraschend und wurde nur über die Medien kommuniziert. In den letzten Monaten wurde alles getan, um die Krankenhausstandorte zu unterstützen. Es ist wichtig, dass die medizinische Versorgung gesichert ist und dafür muss jetzt alles getan werden. Die Malteser müssen ihre Verantwortung für die beiden Standorte wahrnehmen und mit allen Beteiligten sofort das Gespräch suchen. Nicht zuletzt ist es eine Frage der Wertschätzung, der Anerkennung und des Vertrauens für die vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der beiden Krankenhäuser, dass sie sichere Zukunftsoptionen haben."

Kommentar: Schön, wenn ein Ministerium weiß, was die Malteser tun müssen, allerdings wissen die das wohl selbst am besten. Es geht weniger um das Gespräch mit "allen Beteiligten", ob sie sich nun für relevant oder wichtig halten, sondern um die Suche nach einem (oder zwei) leistungsfähigen Übernehmer für die beiden Oberlausitzer Malteser-Krankenhäuser. Wer dabei unterstützen kann, sollte das Gespräch mit den Maltesern suchen.
Ende des Updates


Kommentar:

Die Frage aller Fragen ist: Was ist gut für die Patienten in Einzugsgebiet der Görlitzer Krankenhäuser? Wenn es hier eine gute Lösung gibt, hängen zwangsläufig auch Standorte und Arbeitsplätze daran. Achtet man aber nur auf die Arbeitsplätze und die Standorte, muss die Lösung nicht zwangsläufig für die Patienten gut sein.

Bemühen wir ein Bild: Wenn bei einem Marathonlauf ein Sportler ans Aufgeben denkt, ein stärkerer Läufer ihn aber beginnt mitzuziehen – wird der Stärkere dadurch noch stärker? Und tut das dem Schwächeren wirklich gut? Auch, wenn nicht nur der Läufer, sondern der Vergleich insgesamt hinkt, ist die Fusion zweier komplexer Organisationen eine höchst schwierige Angelegenheit, das prallen nicht nur Unternehmenskulturen, sondern auch Karrierepläne aufeinander. Außerdem: Ein leistungsfähiges Krankenhausmanagament zu finden, dass in der triadischen Versäulung der Krankenhausführung souverän agiert, hat sich in Ostsachsen immer wieder einmal als kaum zu bewältigende Herausforderung erwiesen.

Es wird also spannend, nicht nur rund ums St. Carolus, sondern auch für das Städtische Klinikum. Beruhigend ist, dass die Malteser Leute von anständigen Grundsätzen sind und dem Vernehmen nach nicht an Finanzinvestoren verkaufen wollen,

meint Ihr Thomas Beier



Geboren wird weiterhin

Dass die Malteser über den Tag hinaus denken, zeigt ihr "Informationsabend Geburt" für werdende Eltern am Mittwoch, dem 6. November 2019, um 19 Uhr, im Kreißsaal des Malteser Krankenhauses St. Johannes Kamenz / Kamjenc. Hier kann man die Entbindungsstation Margareta kennenlernen und sich auf die Geburt des Kindes einstimmen. An diesem Abend sollen Schwangere und ihre Partner alles über die Betreuung vor, während und nach der Geburt im Malteser Krankenhaus erfahren, auch wenn der Träger dann vielleicht schon ein anderer ist. Das Geburtshilfeteam informiert über Kurse für Schwangere, Mütter und Babys, die das Krankenhaus anbietet, und beantwortet gern Fragen.
Interessierte können ohne Anmeldung am Info-Abend teilnehmen. Er findet an jedem ersten Mittwoch im Monat um 19 Uhr statt.

Jeweils am zweiten Dienstag im Monat bietet die Stillberaterin Daniela Nicolaus im Malteser Krankenhaus St. Johannes außerdem einen Stillvorbereitungskurs für Schwangere an. Dazu ist allerdings die Anmeldung im Kreißsaal unter Tel. 03578 786-220 nötig. Der nächste Stillvorbereitungskurs findet am 12. November 2019 von 9.30 bis 11.30 Uhr statt und kostet 20 Euro.


Mehr:
Am 28. September 2020 veröffentlichte der Görlitzer Anzeiger einen Artikel zu Fragen der Kostenoptimierung bei niedergelassenen Ärzten und im Gesundheitssystem insgesamt.

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  • Quelle: red/TEB | Kommentar: Thomas Beier | Foto: © Görlitzer Anzeiger
  • Erstellt am 01.11.2019 - 12:37Uhr | Zuletzt geändert am 28.09.2020 - 06:40Uhr
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