Jeder Zweite in Sachsen ist übergewichtig

Jeder Zweite in Sachsen ist übergewichtigGörlitz, 27. Juli 2019. Laut einer Erhebung der Barmer Ersatzkasse sind rund 49 Prozent der Frauen und 51 Prozent der Männer in Sachsen übergewichtig. Jeder sechste Mann und jede siebte Frau gar so stark, dass sie in einem Krankenhaus behandelt werden müssen; sie sind ausgeprägt adipös. Auch in Görlitz sind Übergewicht und Adipositas ein Problem. Wie eine Erhebung des Statistischen Landesamtes Sachsen feststellte, sind bereits rund zehn Prozent der Erstklässler entweder übergewichtig oder adipös. Deren Anteil erhöhe sich dann mit steigendem Alter. Wie lässt sich diese Entwicklung erklären und was kann man dagegen tun?
Abbildung oben: Neben dem Body Mass Index (BMI) ist der Bauumfang ein guter Indikator, gewöhnlich sollten es beim Mann nicht mehr als 94 Zentimeter sein, bei der Frau nicht mehr als 80 Zentimeter. Hintergrund ist das stoffwechselaktive innere Bauchfett. Mit dem Bauumfang wächst das Risiko, binnen weniger Jahre an Diabetes, Bluthochdruck und Fettstoffwechselstörungen (metabolisches Syndrom) zu erkranken. Folgen können beispielweise ein Schlaganfall, die Koronare Herzkrankheit und ein Herzinfarkt sein.

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Übergewicht und Adipositas korrelieren mit Bildung und sozialer Herkunft

Übergewicht und Adipositas korrelieren mit Bildung und sozialer Herkunft
Gut ist es, sich wöchentlich mindestens viermal einer andauernden Belastung wie Laufen, Schwimmen oder Kraftsport zu unterziehen

Der Anteil der Erstklässler mit Übergewicht bzw. Adipositas in Görlitz liegt im Vergleich zum restlichen Sachsen dabei noch etwa in der Mitte der Verteilung. Am höchsten ist der Anteil vor allem in Nordsachsen, Leipzig und Meißen. Überall steige der Anteil noch, je älter die Kinder werden, so das Statistische Landesamt. Die Ursachen hierfür sind sicher vielfältige; gleichwohl erscheint es nicht ganz abwegig, anzunehmen, dass Kinder im höheren Alter bereits weitaus stärker den Lebensstil ihrer Eltern inkorporiert und internalisiert haben. Daraus folgt, dass Kinder von Eltern, die einen tendenziell eher ungesunden Lebensstil pflegen, diesen mit steigendem Alter immer mehr übernehmen und in der Folge übergewichtig bzw. gar adipös werden.

Dass es einen Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Lebensstil gibt, ist laut zahlreichen soziologischen Untersuchungen – man denke da nur an Pierre Bourdieus berühmte Studie "Die feinen Unterschiede" – sicherlich nichts Neues. Andere Studien, so etwa die "Verzehrstudie" des Bundesverbraucherministeriums aus dem Jahr 2008, haben zudem gezeigt, dass ein Zusammenhang zwischen geringer Bildung, einem niedrigen Einkommen und Übergewicht respektive Adipositas besteht. Ähnliches hat auch jüngst das Wittgenstein Centre for Demography and Global Human Capital festgestellt. Demnach hänge eine steigende Lebenserwartung nicht etwa allein mit dem Einkommen zusammen, sondern vielmehr mit Bildung. Denn eine höhere Bildung begünstige einen gesünderen Lebensstil und damit letztlich das Erreichen eines hohen Lebensalters. Kurz und gut: Wer aus einer Familie kommt, die ein vergleichsweise hohes Bildungsniveau und ein hohes Einkommen aufweist, wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit einen gesünderen Lebensstil pflegen und in der Folge eher nicht übergewichtig oder adipös werden.

Allerdings reichen die genannten Zusammenhänge nicht, um zu erklären, warum der Anteil übergewichtiger bzw. adipöser Menschen ausgerechnet in Sachsen so hoch ist. Denn schließlich geht es dem Bundesland nicht nur wirtschaftlich, sondern auch bildungstechnisch sehr gut. So landete Sachsen etwa beim bundesweiten Bildungsmonitor in 2018 zum 13. Mal in Folge auf Platz 1. Hier bedarf es folglich einer tiefergehenden Ursachenforschung. Die Soziologen sind gefragt.

Was kann man gegen Übergewicht und Adipositas tun?

Fest steht, dass Körperanalysewaagen, Fitness Tracker und Diäten allein nicht ausreichen, um Übergewicht bzw. Adipositas dauerhaft zu bekämpfen. Denn ohne die Erkenntnis, dass der persönliche Lebensstil ungesund ist und zu zahlreichen Einbußen in der Lebensqualität führen kann, kann keine Verbesserung der Lage erhofft werden.

Um jedoch die Erkenntnis überhaupt zu erlangen, braucht es Aufklärung, und zwar auf allen Ebenen: In den Familien, in den Schulen, in Unternehmen und schließlich auf der Ebene von Politik, Medien und Wissenschaft. Nicht zuletzt bedarf es aber auch adäquater Infrastrukturen, die Menschen mit Übergewicht und Adipositas gleichsam auffangen und professionell versorgen können. Denn eines ist klar: Es sind zwar einzelne Menschen, die an Übergewicht und Adipositas leiden, doch die dafür verantwortlichen Ursachen sind nicht individuell, sondern gesamtgesellschaftlich. Ergo muss auch die Gesamtgesellschaft für das Adipositas- und Übergewichts-Problem Verantwortung übernehmen. Und erst ganz zum Schluss, wenn dies geschehen ist, kommen Sport und Diäten ins Spiel. Das einzig Gewisse ist anderenfalls wohl nur der Jo-Jo-Effekt.

Kommentare Lesermeinungen (1)
Lesermeinungen geben nicht unbedingt die Auffassung der Redaktion, sondern die persönliche Auffassung der Verfasser wieder. Die Redaktion behält sich das Recht zu sinnwahrender Kürzung vor.

Angst vor Dicken oder Dünnen?

Von Thomas John am 27.07.2019 - 22:48Uhr
Nach meiner Ansicht sind so viele Leute "übergewichtig", weil ihnen von Hinz und Kunz gesagt wird, "das ist gut und das ist schlecht" und jeder erzählt was anderes. Wer einmal mit diesen Diäten anfängt, erhöht signifikant sein Risiko, "übergewichtig" und unzufrieden mit sich selber zu sein. Ich halte von dieser Gesundheitsapostelei fast gar nichts. Ich sag mir, dass die Dosis das Gift macht. Lasst die Leute selbst herausfinden, was ihnen gut tut und was nicht, denn jeder Metabolismus ist anders, jeder Mensch verträgt, mag oder verdaut Dinge anders als jeder andere.

Was vielen Gesundheitsaposteln nicht einfällt: Die "ungesunden" Sachen bringen in der Regel Glückshormone und die halten ebenfalls gesund. Esst, was euch gefällt und haltet Maß dabei. Der Bodymassindex ist nur ein Durchschnitt. Und wieder jeder Durchschnitt ist er nur eine abstrakte nicht wirklich existierende Größe, die von allen Bestandteilen seiner Berechnungsmenge gebildet wird. Wir sind Individuen und kein Durchschnitt.

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  • Quelle: red | Foto Bauch: jarmoluk / Michal Jarmoluk, Foto Läufer: TheOtherKev / Kev, beide Pixabay und Lizenz CC0 Public Domain
  • Erstellt am 27.07.2019 - 06:10Uhr | Zuletzt geändert am 27.07.2019 - 07:16Uhr
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