Motor Görlitz nicht gegen Stadthalle

Motor Görlitz nicht gegen StadthalleGörlitz, 24. März 2019. Von Andreas Kolley. Am 21. März diskutierten die OB-Kandidaten im Wichernhaus zur Zukunft der Stadthalle. Es ist deutlich zu spüren: Wir haben Wahlkampf in der Stadt. Das führt leider oft dazu, dass bei allen gutgemeinten Ansätzen und Engagements schnell der Fokus auf das Wesentliche, das Wohl unserer Stadt und der nachfolgenden Generationen verloren gehen kann.
Abbildung: Andreas Kolley

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Motor Görlitz hat Fakten gecheckt

Thema: Stadthalle Görlitz

Stadthalle Görlitz

Die Stadthalle Görlitz wurde 1910 als Veranstaltungsort des Schlesischen Musikfestes eröffnet. Hoher Sanierungsbedarf und die ungenügende Selbstfinanzierung führten im Jahr 2005 zur Einstellung des Betriebs und zu Verkaufsbestrebungen seitens der Stadt Görlitz. Die Ende Januar 2010 vom Stadtrat beschlossene Sanierung wurde, ohne dass Arbeiten am Gebäude begonnen hätten, im Oktober 2012 gestoppt, weil Fristen für Fördermittel zu kurz waren. Erst 2018 stellten Bund und Land Geld für eine über die Sicherung hinausgehende Sanierung bereit. Eine große Herausforderung stellen die Betriebskosten für die Stadthalle Görlitz dar.

Ich hatte mir vom Abend erhofft, neue Informationen zu den konkreten Ideen, Ansätzen und Impulsen für eine langfristige Bewirtschaftung der Stadthalle zu bekommen. Wenn ich CDU-Kandidat Octavian Ursu jedoch richtig verstanden habe, wolle man keine Zeit mehr verlieren, zunächst sanieren, parallel auf eine positive Stadtentwicklung hoffen und währenddessen Konzepte für die anschließende Bewirtschaftung erarbeiten. Die Stadthalle ist seit Jahren ein hochemotionales Thema, mit vielen Erinnerungen, Befindlichkeiten und differenten Meinungen, ein Mammutprojekt, dessen Umsetzung nicht spurlos an uns und den kommenden Generationen vorbeigehen wird – gerade deshalb sollten Fakten und belastbare Konzepte statt Emotionen bei einer Entscheidungsfindung im Vordergrund stehen.

Görlitz hat schon jetzt einen defizitären Haushalt. Vom aktuellen Stadtrat wurden zugleich Entlastungen für Gewerbebetriebe und Hauseigentümer beschlossen. Das wird die Einnahmen weiter sinken lassen. Für die Stadthalle bedarf es hoher Zuschüsse. Einzuplanen sind in jedem Fall Rücklagen für künftige Investitionen und Instandhaltungen, die zwischen ein und zwei Prozent der Investitionssumme liegen, also bis zu 800.000 Euro jährlich. Was den Zuschuss für den Betrieb angeht, tappen alle im Dunkeln. Nachdem nun auch noch die Verfasser der Stadthallen-Studie zur Einschätzung kommen, dass man sich auf die reine Nutzung als Konzerthalle konzentrieren solle, müssen alle bisherigen Planungen erneut auf den Prüfstand, inklusive der Frage: Was kostet uns eine Konzerthalle?

Motor-Sprecher Mike Altmann sagte, dass Motor Görlitz als "Bremser" in der Veranstaltung benannt wurde und begründete das damit, dass wir bei Motor Görlitz dafür sind, dass man erst alle korrekten Zahlen auf dem Tisch hat, bevor man Entscheidungen trifft. Altmann: "So wurde gestern im Saal von einer Vertreterin des Stadthallenfördervereins, dessen Engagement wir sehr schätzen, behauptet, die leerstehende Stadthalle koste pro Jahr 200.000 Euro. Ergo könne man sie auch bespielen. Ein Faktencheck ergab: Die Jahreskosten 2018 betrugen etwa 21.000 Euro. Wenn bereits bei dieser Frage mit falschen Zahlen hantiert wird, wie sieht es dann bei den Kosten für den jährlichen Betrieb aus?"

Die Stadtbewegung Motor Görlitz ist nicht gegen die Stadthalle. Sie ist für einen verantwortungsvollen Umgang, insbesondere im Interesse der heutigen jungen und der künftigen Generationen. Die alles entscheidende Frage lautet: Gibt es ein finanzierbares Bewirtschaftungskonzept? Aus unserer Sicht wird sich die Stadt Görlitz allein die Stadthalle nicht leisten können. Für den Erhalt und den Betrieb einer als einmalig bezeichneten Konzerthalle sind ebenso Bund und Freistaat gefordert, ihren Beitrag zu leisten. Solange das nicht geklärt ist, muss man zwingend von einem solchen 36-Millionen-"Geschenk" Abstand nehmen, um nicht kommende Generationen mit den erheblichen Folgekosten zu belasten.

Wer sich gestern im Wichernhaus umgeschaut hat, erkennt: Die Stadthalle ist ein Herzensthema vor allem der älteren Generation. Viele wünschen sich zu Recht, dass dieses Gebäude noch zu ihren Lebzeiten wiedereröffnet wird. Allerdings müssen sich auch die Befürworter eingestehen, dass die Zeiten sich rasant ändern. 1910, als die Stadthalle eröffnet wurde, hatte Görlitz knapp 86.000 Einwohner hat. Es gab ein völlig anderes Freizeitverhalten, die Stadt war zudem deutlich reicher. Ist ein Saal, der Platz für 1.700 Zuschauer bietet, heute noch zeitgemäß? Welche Veranstaltungen sollen die Stadthalle zukünftig beleben? Wie sieht das Bewirtschaftungskonzept konkret aus? Welche privaten Anbieter werden durch den subventionierten Betrieb der Stadthalle aus dem Markt gedrängt? Fragen über Fragen, die seit Jahren nicht beantwortet werden.

Altmann fasst es so zusammen: "Wer heute den Anschein erweckt, dass wir die Stadthalle aus der Portokasse bezahlen und keine anderen wichtigen Dinge im städtischen Haushalt dafür streichen müssen, belügt ganz offensichtlich die Görlitzer, um seine Wahlchancen zu verbessern. Die Menschen hier sind aber nicht dumm und können rechnen. In Sachen Stadthalle brauchen wir Wahrheit und Klarheit in der Stadtpolitik."

Andreas Kolley ist Vizesprecher der Stadtbewegung Motor Görlitz.

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  • Quelle: red | Foto: PR
  • Erstellt am 24.03.2019 - 06:57Uhr | Zuletzt geändert am 24.03.2019 - 07:13Uhr
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