Kreistagsfraktion CDU/FDP verabschiedet Tauchritzer Erklärung

Kreistagsfraktion CDU/FDP verabschiedet Tauchritzer ErklärungGörlitz, 26. Januar 2023. Klausurtagungen dienen vor allem der Selbstverständigung und der gemeinsamen Zielorientierung. Zu solch einer Tagung haben sich die Räte der Görlitzer CDU/FDP-Kreistagsfraktion am 20. und 21. Januar 2023 in Tauchritz am Berzdorfer See zusammengefunden. Dabei haben sie eine "Tauchritzer Erklärung" verabschiedet.

Abb.: Tauchritz, heute Ortsteil von Görlitz, ist ein für den Wandel symbolträchtiger Ort. Der Museumsbagger ist ein Zeuge des Braunkohletagebaus, aus der Grube ist der Berzdorfer See als beliebtes Naherholungsgebiet entstanden
Archivbild: © Görlitzer Anzeiger
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Fokus auf die Gesundheitsversorgung, den Kohleausstieg und die Finanzausstattung sowie die Wölfe, den Tourismus und die Verkehrsanbindung

Zu einzelnen Punkten äußerte sich der Fraktionsvorsitzende Tilmann Havenstein (CDU): "Eine neue medizinische Versorgungstruktur soll alle Standorte erhalten und vor allem modern und zukunftssicher sein." Die Grund- und Notversorgung in der Fläche müsse genauso gewährleistet werden wie eine hochwertige Behandlung durch medizinischen und technischen Fortschritt. "Wichtig ist mir, dass wir miteinander über den Prozess reden und immer im Gespräch bleiben – sowohl mit dem medizinischen Personal als auch den Menschen der Region", so Havenstein weiter.

Zur Finanzausstattung des Landkreises Görlitz sagte Havenstein: "Der Landkreis kann keine eigenen Steuereinnahmen generieren, muss aber seinen Pflichtaufgaben als Schulträger oder für Soziales, wie Pflegekosten, Wohngeld sowie die Unterbringung von Flüchtlingen nachkommen." Die Fraktion fordere daher Freistaat eine ausreichende Finanzausstattung und einen Austausch mit dem Landrat, der Verwaltung und dem Kreistag.

Zum Braunkohleausstieg hat der Fraktionsvorsitzende eine klare Position: "Der Bund muss beim Kohlekompromiss Wort halten. Der Ausstieg 2038 ist politisch wie gesellschaftlich verhandelt worden und schafft Planungssicherheit, die wir dringend brauchen. Der Ausstieg gelingt nur mit einer stabilen und bezahlbaren Energieversorgung und Fortschritten beim Strukturwandel. Das braucht Zeit." Man wolle den Ausstieg aus der Braunkohleförderung aktiv gestalten und auch nach dem Jahr 2038 Wertschöpfung im Kreis generieren. Dazu gehöre auch, dass man den Landkreis auf Straße und Schiene besser anschließt.

Die "Tauchritzer Erklärung" im Wortlaut

Wir wollen, dass der Landkreis Görlitz für Leistungsträger und junge Familien, genauso wie für ältere Menschen und Schwächere noch lebenswerter wird. Dafür setzen wir in den Bereichen Wirtschaft, Energie, medizinische Versorgung, Bildung und Kultur Schwerpunkte:


    • Hochwertige und wohnortnahe Gesundheitsversorgung

      Wir brauchen auch in Zukunft eine hochwertige und wohnortnahe Gesundheits- und Notfallversorgung für alle Menschen im Landkreis Görlitz. Deshalb fordern wir ein umfassendes Modernisierungskonzept für die kreiseigenen Krankenhäuser in Weißwasser, Ebersbach und Zittau samt Schwerpunktsetzung sowie einen Finanz- und Zeitplan. Dabei müssen vor allem die Faktoren Demographie, Einwohnerzahl, Fallzahlen und Finanzen genauso berücksichtigt werden wie medizinischer und technischer Fortschritt. Zudem benötigen wir vor allem die Unterstützung der Landes- und Bundesregierung, die vordergründig für die Krankenhausfinanzierung verantwortlich sind. Nur Festbeträge können das bisherige Fallpauschalensystem ergänzen und eine Fallmengen unabhängige medizinische Grundversorgung  mit hoher Qualität im ländlichen Raum nachhaltig sichern.

    • Kohlekompromiss: Wort halten!

      In der aktuellen Situation ist Kohle mit großem Abstand der wichtigste Energieträger für die Stromversorgung unseres Landes. Fast jede zweite Kilowattstunde wurde in der Winterdunkelflaute 2022 aus Kohle produziert, ein Großteil davon aus heimischer Braunkohle. Wir erwarten von der Bundesregierung ein Ende der Spekulationen über ein weiteres Vorziehen des Kohleausstiegs. Wir fordern Respekt für das Ergebnis des Kohlekompromisses mit einer Laufzeit des modernsten Braunkohlekraftwerkes in Boxberg bis 2038. Es gilt, Verlässlichkeit wieder herzustellen und das Vertrauen in gesamtgesellschaftliche Entscheidungsprozesse nicht zu unterlaufen. Die beispiellose Energiekrise hat gezeigt, dass die Bundespolitik sich nicht an Wunschvorstellungen, sondern an der Wirklichkeit messen lassen muss.

      Der Kohlekompromiss beinhaltet neben einer endgültigen Beendigung der Kohleverstromung im Jahr 2038 auch die Zusage, die betroffenen Regionen bei der Entwicklung neuer Arbeitsplätze und einer neuen Wirtschaftsstruktur zu unterstützen. Die Menschen in der Lausitz entwickeln viele Ideen und Projekte, um ihre Zukunftsfähigkeit zu gestalten. Wir wollen, dass der Landkreis Görlitz wichtiger Partner der Wasserstoffstrategie in Deutschland wird und werden die Kommunen bei dem koordinierten Aufbau der notwendigen Infrastruktur unterstützen.

      Zudem erwarten wir von der Bundesregierung, dass sie ihre zugesagten Vorhaben nunmehr auch rasch zur Umsetzung bringt. Strategische Großprojekte wie der Bau des Großforschungszentrums für Astrophysik, die Standortentscheidung für ein Bundeswehrbataillon und der Ausbau der Zugverbindungen zwischen Berlin, Weißwasser und Görlitz müssen mit mehr Geschwindigkeit vorangebracht werden. Wir fordern klare Entscheidungen, verbindliche Zeitpläne und belastbare Finanzierungszusagen.

    • Ausreichende Finanzausstattung für eine lebenswerte Oberlausitz

      Die Einnahmeseite für den Landkreis Görlitz besteht nur aus den Zuweisungen, die der Freistaat Sachsen gibt und aus der Kreisumlage, die die Gemeinden zahlen. Eigene Steuereinnahmen kann der Landkreis nicht generieren. Dem gegenüber stehen Pflichtaufgaben als Schulträger oder für Soziales, wie Pflegekosten, Wohngeld sowie die Unterbringung von Flüchtlingen. Die extrem gestiegenen Energiekosten belasten uns zusätzlich. Die Haushaltsplanung und die unausgeglichenen Haushalte für die Jahre 2023 und 2024 machen deutlich, dass die Finanzausstattung für den Landkreis Görlitz durch den Freistaat Sachsen nicht ausreichend ist. Gleichzeitig wollen wir den Ausstieg aus der Braunkohleförderung gestalten und die Oberlausitz als Wirtschafts- und Forschungsstandort stärken und gleichermaßen für Leistungsträger und junge Familien wie auch ältere und schwächere Menschen noch lebenswerter machen. Dafür müssen wir in Infrastruktur auf der Straße und der Schiene, schnelle Internetverbindung, in Schulen, Sport, Kultur und Wirtschaft investieren. Daran zu sparen, können wir uns nicht leisten. Die Gemeinden wollen wir in ihrem Gestaltungsspielraum nicht einschränken. Wir fordern deshalb vom Freistaat eine ausreichende Finanzausstattung. Es wird vorgeschlagen, die jährlichen Zuführungen in den Generationenfonds, der derzeit auf über 9 Milliarden Euro angewachsen ist, zu halbieren und mit diesen Einsparungen die Landkreise und kreisfreien Städte entsprechend ihrer Flächengröße zu unterstützen.

    • Regulierung der Wolfspopulation – gezielte Entnahme gestatten

      Die Wolfspopulation wächst stetig weiter an. Auch die von den Tieren beanspruchten Territorien im Freistaat Sachsen werden mehr. Sieben Wolfsterritorien in Sachsen sind laut Sächsischem Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie innerhalb eines Jahres hinzugekommen. Die Tiere leben aktuell in insgesamt 36 Territorien. Bei den Vorkommen handelt es sich derzeit um 31 Rudel, vier Paare und ein territoriales Einzeltier. Im Monitoringjahr 2009/2010 lag der Bestand im Freistaat bei fünf Rudeln. Zudem steigt die Zahl der Angriffe von Wölfen auf Nutztiere deutlich. Von Januar bis Mitte Dezember 2022 wurden 175 Schadensfälle mit 764 getöteten, verletzten oder vermissten Nutztieren gemeldet. Im gesamten Jahr 2021 waren es 116 Rissmeldungen mit 383 geschädigten Tieren. Eine wichtige Rolle spielt dabei vor allem die deutliche Zunahme von Wolfsrissen in Ostsachsen bei Löbau, Görlitz und Weißenberg mit ca. 200 getöteten, verletzten oder vermissten Nutztieren. Darüber hinaus häufen sich die Berichte, in denen sich der Wolf dem Menschen nähert, wie zuletzt in Gablenz.

      Der Wolf ist längst keine bedrohte Art mehr. Zum Schutz unserer Bevölkerung, der diversifizierten Natur im Allgemeinen als auch von Landwirten und der Weidetierhaltung im Besonderen, müssen gezielte Entnahmen (Abschüsse) erlaubt werden. Der Sächsische Umweltminister muss die Realität anerkennen und seinem Geschäftsbereich die gezielte Entnahme im Landkreis Görlitz deutlich vereinfachen sowie umgehend gestatten.

    • Urlaubsregion Landkreis Görlitz – Tourismuswirtschaft stärken

      Ob Wellness, Natur, Sport oder Kultur - der Tourismus im Landkreis Görlitz ist vielfältig. Unsere Region soll noch stärker vom Trend Deutschlandtourismus profitieren und mit einem ganzjährigen Konzept ihr gesamtes Potential ausschöpfen. Dafür wollen wir mit dem Zweckverband Allwetterbad Großschönau eine geeignete Struktur schaffen bzw. erweitern und touristische Infrastruktur von besonderer Bedeutung (wie bspw. die Eishalle im Kurort Jonsdorf oder die Erlebniswelt Krauschwitz) stärken. Die Verwaltung wird beauftragt, für die Erweiterung des Zweckverbandes geeignete Möglichkeiten zu prüfen und durch die Entwicklungsgesellschaft Niederschlesische Oberlausitz mbH ein Konzept zur Stärkung des ganzjährigen Tourismus zu erarbeiten. Zudem wird der Landrat beauftragt, sich bei der Staatsregierung für eine adäquate Finanzausstattung der Tourismus Marketing Gesellschaft Sachsen GmbH und insbesondere der Marketing-Gesellschaft Oberlausitz-Niederschlesien mbH sowie der regionalen Tourismusorganisationen für den ländlichen Raum (Touristische Gebietsgemeinschaften) einzusetzen, damit für die Destination Oberlausitz neue Gästegruppen angesprochen und Wachstumsziele realisiert werden können.

    • Den Landkreis Görlitz auf Straße und Schiene besser anschließen

      Der Ausstieg aus der Braunkohleförderung muss mit zukunftsweisenden Infrastrukturmaßnahmen gestaltet werden, um gute Bedingungen für die Entwicklung bestehender und neuer Unternehmen zu schaffen. Deshalb werden leistungsfähige Schienen- und Straßenverbindungen zwischen der Lausitz und Berlin im Norden sowie dem tschechischen, polnischen, ungarischen und österreichischen Verkehrsnetz im Süden des Landkreises benötigt. Einhergehend mit dem Ziel der Verbesserung dieser notwendigen Infrastruktur ist die unbedingte Planungsbeschleunigung für derartige Bauvorhaben zu forcieren.

      Damit sich die Regionen Löbau, Zittau, Niesky, Görlitz und Weißwasser weiter entwickeln können, müssen sie besser angebunden werden. Dazu zählen neben der Elektrifizierung der Bahnlinien und dem Bau der Schnellzugverbindung von Berlin über Weißwasser nach Görlitz insbesondere der vierspurige Ausbau der B178 für den Bauabschnitt 1.1 und die Fortführung der Trasse zwischen Niederseifersdorf und Weißwasser als leistungsfähige Nord-Süd Verbindung in unserer Region. Darüber hinaus muss Druck auf die Bundesregierung ausgeübt werden, dass sie zu der ursprünglichen Zusage zu einem Ausbau der A4 steht.



CDU/ FDP Kreistagsfraktion
Tauchritz, 21. Januar 2023

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  • Quelle: red | Foto: © Görlitzer Anzeiger
  • Erstellt am 26.01.2023 - 14:44Uhr | Zuletzt geändert am 26.01.2023 - 15:09Uhr
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