Corona-Krise in der Krise

Corona-Krise in der KriseLandkreis Görlitz, 28. März 2021. Von Thomas Beier. Wie gespalten Deutschland noch immer ist, auch das legt die Corona-Pandemie schärfer denn je offen: Während im Osten Sachsens am Wochenende gegen die Corona-Auflagen – teils unter deren Missachtung – demonstriert wurde, sind in der westfälischen Universitätsstadt Münster die Menschen gegen die Coronaleugner auf die Straße gelangen, die hier einen Autokorso veranstalteten, an anderer Stellen ging es um die bessere Unterbringung von Flüchtlingen und gegen den Machtmissbrauch in der katholischen Kirche.

Abb.: Die Münsteraner nehmen es diszipliniert und gelassen zugleich, in der Innenstadt tragen alle eine Atemwegsbedeckung – ohne überhängendes Riechorgan – und vor den Geschäften, wie hier an einem Schnellimbiss, wird auf Abstand geachtet. Gelernte "DDR"-Bürger fühlen sich an sozialistische Zeiten erinnert, als das Anstehen die Normalität war.
Foto: © BeierMedia.de
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Lasst euch nicht instrumentalisieren!

Lasst euch nicht instrumentalisieren!
Trotz Corona und heftigen Aprilwetters galt gestern auf dem Prinzipalmarkt weitgehend business as usual: In den Geschäftseingängen wurde auf Tests geachtet und es wurden – meist von charmanten Damen, ansonsten von freundlichen Herren – Nachverfolgungslisten geführt, die Drahtesel hingegen wurden abgestellt wie immer. Im Gegensatz zu Görlitz allerdings werden die in den Ladengeschäften bereitgestellten Desinfektionsmöglichkeiten tatsächlich von nahezu jedem genutzt – offenbar ein Beitrag zur niedrigen Sieben-Tage-Inzidenz. Und eine Eigenheit haben sich die Münsteraner auch in der Pandemie erhalten: Für ein paar freundliche Worte ist immer Zeit.
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Ob Demonstrationen im Lockdown mit seinen Kontaktbeschränkungen ein Ventil sind, um gemeinsam mit anderen etwas zu erleben? Jedenfalls ist es erstaunlich, wie bereitwillig sich viele Sachsen instrumentalisieren lassen und Rattenfängern folgen, die behaupten, für die "Bewahrung freiheitlicher Grundrechte" einzutreten und sich demagogisch gegen eine Impfpflicht wenden, die weder besteht noch überhaupt in der Diskussion ist. Es geht vielmehr um den Versuch, den Freiheitsbegriff als Keule gegen die Demokratie zu verwenden. Aktiviert wird damit im Kern die "Merkel muss weg"-Liga, deren Vorsänger tunlichst kein Wort darüber verlieren, wie sie sich die Zeit danach vorstellen.

Hinzu kommen überforderte Eltern: Zeitlich überfordert, weil es ihnen nicht möglich ist, ihre Berufstätigkeit und die Betreuung der eigenen Kinder unter einen Hut zu bekommen, viele sind aber auch überfordert, weil sie gar nicht wissen, wie sie sich mit ihren Kindern oder die Kinder selbst beschäftigen können, außer ihnen irgendwelchen Elektronikkram in die Hand zu drücken. Hier treten schwierige Fragen zutage, die mit der beruflichen Gleichstellung der Frau und der damit meist notwendigen Abgabe der Kinderbetreuung und -erziehung an Organisationen zu tun haben, insofern der Mann nicht übernimmt.

Bei aller Sorge um die Entwicklung der Kinder und die Belastung der Erwachsenen ist es ein Zeichen der Instrumentalisierung des Protests, nur auf die emotionale Komponente zu setzen und etwa Kinderzeichnungen, Plüschtiere und Kinderschuhe an Rathäusern abzulegen oder gar Kinder mit Plakaten, die Erwachsene geschrieben haben, auftreten zu lassen – nein, Eltern müssen sich einbringen in die Suche nach Lösungen in der Coronakrise, wer sollte die praktischen Aspekte des Alltags besser kennen als sie? Doch die Realität in Ostdeutschland sieht anders aus: So musste sich Andreas Fredrich, der Bürgermeister von Senftenberg / Zły Komorow, im Zusammenhang mit solch einer emotionalisierten Aktion, wie vorgestern in der Lausitzer Rundschau zu lesen war, "aufs Übelste" beleidigen lassen. Es zeigt sich: Die Kinder sind für die Strippenzieher nur Vorwand, um gegen die Institutionen und ihre demokratisch legitimierten Vertreter vorzugehen. "Gerechter Volkszorn" nannte es die Nazi-Propaganda, wenn manipulierte Bürger schließlich zu Tätern wurden.

Helfende Kritik ist gefragt, ein dumpfes "Dagegen!" hilft niemandem. Und eine Sache muss jedem klar sein: Es ist großartig, wie sich das kapitalistische System der Bundesrepublik Deutschland zurücknimmt, um humane Werte, nämlich die Gesundheit aller Altersgruppen und den Kampf gegen den vorzeitigen Tod vieler – im Durchschnitt sterben an Covid-19 Erkrankte zehn Jahre zu früh – so gut es irgend geht umzusetzen. Oder glaubt jemand, die Regierung habe ein Interesse daran, das Volk durch einen immer längeren Lockdown gegen sich aufzubringen und Unternehmen das Wirtschaften zu erschweren? Wer aber meint, Ältere hätten ihr Leben ja eh hinter sich und es sei normal, dass sie in der Pandemie sterben, der muss sich den Vorwurf gefallen lassen, eine grundlegenden Sichtweise der Naziideologie zu vertreten, nämlich die vom "lebenunwerten Leben", auch ausgedrückt als "unnütze Esser". Vielen, die über die Nazikeule zetern und meinen "Das wird man doch noch sagen dürfen, deshalb bin ich doch kein Nazi!", denen muss man sehr deutlich sagen: "Doch."

Zur Situation im Landkreis Görlitz

Gestern wurden im Landkreis Görlitz 95 neue Infektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 gegenüber dem Vortag ermittelt. Bei den positiv getesteten Personen handelt es sich um 87 Erwachsene und acht Kinder au dem gesamten Landkreis. Unter den positiv Getesteten waren 25, die sich mit der noch gefährlicheren britische Virusvariante B.1.1.7 infiziert haben. Damit wurden bislang 279 Fälle dieser Virusmutation im Landkreis Görlitz nachgewiesen.

Die durch den Landkreis ermittelte Sieben-Tage-Inzidenz beträgt ist weiter gestiegen und beträgt jetz 206,94 je 100.000 Einwohner (Münster: rund 60). Unterschiede zu den RKI-Zahlen ergeben sich aus den unterschiedlichen Zeitpunkten der Auswertung. Derzeit befinden sich 92 Menschen in medizinischer Behandlung in Kliniken des Landkreises Görlitz, 20 in intensivmedizinischer. Aktuell befinden sich 684 Personen nach einem positiven PCR-Test zu Hause in Quarantäne. Insgesamt sind im Landkreis Görlitz 1.000 Menschen wegen einer Covid-19-Erkrankung vorzeitig verstorben.

Das Infektionsgeschehen in Schulen und Kitas

Per 27. März 2021 gibt es im Landkreis Görlitz in 40 Schulen und 29 Kindertageseinrichtungen bzw. Horten Coronavirus-Infektionen zu verzeichnen; betroffen sind Einrichtungen in Bernstadt a.d. Eigen, Ebersbach-Neugersdorf, Görlitz, Großschönau, Groß Düben / Dźěwin, Kottmar, Kodersdorf, Leutersdorf, Löbau, Markersdorf, Neißeaue, Neusalza-Spremberg, Niesky / Niska, Olbersdorf, Ostritz, Oybin, Reichenbach/O.L., Rothenburg/O.L., Seifhennersdorf, Weißwasser/O.L. / Běła Woda und Zittau. In den betroffenen Schulen sind 62 positive Fälle – davon 15 Mutationen – festgestellt worden, in den Kitas und Horten 50, wovon 18 zu den Mutationen gehören.

Kostenlose Schnelltest-Angebote im Landkreis Görlitz

Eine Übersicht der derzeit bekannten, kostenlosen Testmöglichkeiten im Landkreis ist auf der Schnelltest-Internetseite zu finden und wird dort stetig erweitert, die sachsenweiten Angebote hier.

Quarantänepflicht

Positiv getestete Personen, Kontaktpersonen der Kategorie 1 sowie Verdachtspersonen müssen sich unverzüglich absondern. Ebenfalls online ist die Allgemeinverfügung zur Absonderung samst wichtigen Hinweisen.

Bürgertelefon im Gesundheitsamt

Das Bürgertelefon im Gesundheitsamt des Landkreises Görlitz ist zu den Arbeitszeiten unter 03581 - 6 63-5656 oder per E-Mail an anfragen-corona@kreis-gr.de erreichbar.

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  • Quelle: red / Thomas Beier | Fotos: © BeierMedia.de
  • Erstellt am 28.03.2021 - 18:33Uhr | Zuletzt geändert am 29.03.2021 - 21:34Uhr
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