Sparkassenvorstand besichtigt Synagoge

Sparkassenvorstand besichtigt SynagogeGörlitz, 10. September 2020. Die Sanierung der Görlitzer Neuen Synagoge auf der Otto-Müller-Straße, die gegen Jahresende als Kulturforum wieder eröffnet werden soll, wird als ein Schwerpunktprojekt in Sachsen auch von der Ostdeutschen Sparkassenstiftung – gemeinsam mit der Stiftung der Sparkasse Oberlausitz-Niederschlesien – ideell und finanziell unterstützt. Die Sparkassenorganisation ist der größte nicht-staatliche Kulturförderer in Deutschland.

Sparkassenvorstandsvorsitzender Michael Bräuer (links im Bild) und Oberbürgermeister Octavian Ursu in der neuen Synagoge zu Görlitz
Bildquelle: Stadtverwaltung Görlitz
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Kuppelsaalleuchter fertiggestellt

Thema: Jüdisch

Jüdisch

Juden hatten und haben einen großartigen Anteil an der Entwicklung Deutschlands in Wissenschaft, Kultur und Wirtschaft. Leben ist undenkbar ohne die Erinnerung an die Zeit, als es in Deutschland ausreichte, Jude zu sein, um verhaftet, deportiert und umgebracht zu werden, wenn man nicht rechtzeitig geflohen war.

Am vergangenen Montag hat nun der Görlitzer Oberbürgermeister Octavian Ursu den Vorstandsvorsitzenden der Sparkasse Oberlausitz-Niederschlesien Michael Bräuer im früheren Gotteshaus zu einem Pressetermin begrüßt. Bräuer machte sich hier ein Bild von den rekonstruierten Kuppelsaalleuchtern.Mit dabei war auch Ute Prechel vom Bau- und Liegenschaftsamt.

Die Görlitzer Synagoge ist das einzige synagogale Gebäude in Sachsen, das das Pogrom vom 9. November 1938 nahezu unbeschädigt überstanden hat: Angeblich hatte ein Nachbar, um sein Haus zu schützen, die Feuerwehr alarmiert, die den vom nationalsozialistischen Mob gelegten Brand löschte. Andere Quellen gehen davon aus, dass die Brandstiftung für einen Großbrand nicht ausreichte.

Die originalgetreue Rekonstruktion der Kuppelsaalleuchter war kein alltägliches Vorhaben, denn es gibt nur wenige Handwerksfirmen, die eine derart vielseitige Handwerksleistung überhaupt noch beherrschen. Nun erleuchten die Leuchter ihrer ursprünglichen Jugendstil-Form wieder den Saal der Synagoge.

Die Synagoge wird Ende dieses Jahres als Kulturforum eröffnet – es soll ein Haus der Begegnung, der Geschichte, der Bildung und der Kultur werden.

Mehr:
Jüdische Spurensuche im Görlitzer Anzeiger



Kommentar:

Vergangenheitsbewältigung heißt, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen. In Bezug auf die Ausgrenzung von Mitbürgern und Angriffen auf sie steht heute stärker denn je die Frage: Wie konnte es so weit kommen? Was können wir noch immer aus der Zeit des Nationalsozialismus lernen, um der Menschenfeindlichkeit in all ihren Formen entgegentreten zu können?

Um sich dem Antisemitismus und seinen praktischen Auswüchsen nähern zu können, reicht es nicht, Fakten aufzuzählen und im Werbeagentur-Stil auf Schautafeln historisch korrekt zu präsentieren. Immer wieder begegnet man einer Erinnerungskultur, die Judenfeindlichkeit und Judenverfolgung wie durch eine Glasscheibe betrachtet mit der Folge, dass die Geschichte von manchen relativiert und sogar infrage gestellt wird. Dass es auch anders geht hat eine andere Ausstellung in der Görlitzer Synagoge gezeigt.

Wer noch mit der Erlebnisgeneration der Nazizeit gesprochen hat, hörte immer wieder "dann hieß es" und "das war halt so". Selbst am Kriegsende waren die allermeisten Deutschen fest davon überzeugt, keine Nazis gewesen zu sein – es war halt selbstverständlich und für viele scheinbar unausweichlich, mitzumachen. Aber nur, weil man etwa in der Deutschen Arbeitsfront (DAF) oder im Nationalsozialistischen Kraftfahrerkorps (NSKK) Mitglied war, soll man ein Nazi gewesen sein? Im Selbstverständnis vielleicht nicht, aber als Mitläufer und Unterstützer der Regimes schon.

Für die Aufarbeitung der Nazidiktatur in Görlitz ist die perfektionistische Sanierung der Neuen Synagoge kein Beitrag, eher provoziert sie ein "seht ihr, es war gar nicht so schlimm, sogar die Synagoge ist wieder da". Die Spuren jüdischen Lebens in Görlitz und seiner Auslöschung zeigte die Synagoge am deutlichsten, als nur Probeflächen saniert waren – eine Erinnerung daran, wozu sich die Deutschen unter der Nazidiktatur hinreißen ließen, wie viele wegschauten und wie viele bis zum Untergang nicht wahrhaben wollten, welcher Sache sie gedient hatten,

meint Ihr Thomas Beier

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  • Quelle: red | Bildquelle: Stadtverwaltung Görlitz
  • Erstellt am 10.09.2020 - 09:22Uhr | Zuletzt geändert am 10.09.2020 - 10:30Uhr
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