Theater ums Theater

Theater ums TheaterGörlitz, 22. April 2021. Man will ja nichts falsch machen, weshalb man eine Unternehmensberatung mit gutem Namen beauftragt, die zudem in der Branche Referenzen aufweisen kann. Ergebnis: Die gleichen Berater arbeiten dann mit den gleichen Methoden für Kunden, die miteinander im Wettbewerb stehen. Wenn etwa ein und derselbe Anbieter für alle Städte einer Region Marketingkonzepte nach gleichem Strickmuster entwickelt, dann könnten die Städte eigentlich viel Geld sparen. Aber das nur zu Einstimmung.

Abb.: Das Görlitzer Haus des Gerhart-Hauptmann-Theaters Görlitz-Zittau
Archivbild: © Görlitzer Anzeiger
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Fraktion Motor Görlitz/Bündnisgrüne: Theater Görlitz muss bleiben!

Fraktion Motor Görlitz/Bündnisgrüne: Theater Görlitz muss bleiben!
Kaisertrutz, Reichenbacher Turm und der Vorplatz zum Theater, das auch "die kleine Semperoper" genannt wird
Archivbild: © Görlitzer Anzeiger

Was im Denkmalschutz gilt, trifft im Grunde auch auf die Kultur zu: Was weg ist, kommt nicht wieder. Gewachsene Strukturen noch einmal aufzubauen, wer soll das bezahlen, wer hat soviel Geld?

Vielleicht ist das ja das Motiv für die Görlitzer Stadtratsfraktion Motor Görlitz/Bündnisgrüne, wenn sie verkündet, fest zur Gerhart-Hauptmann-Theater Görlitz-Zittau GmbH (GHT) und ihrem Ensemble zu stehen. Als Hintergrund teilte sie gestern mit: "Wie die Sächsische Zeitung heute berichtet, wurde ein Sparkonzept im Auftrag des Landkreises Görlitz erstellt. Dieses schlägt vor, das Görlitzer Haus zu einer reinen Gastspielbühne umzufunktionieren. Die Philharmonie soll mit dem Sorbischen Nationalensemble fusionieren, Musiktheater-Ensemble und Tanz-Company komplett gestrichen werden. Am morgigen Donnerstag gibt es eine Klausurtagung. An dieser nehmen nach unseren Informationen mehrere Kreistags-Ausschüssen teil, nicht aber die Theater-Gesellschafter Görlitz und Zittau." Das klingt so, als ob das störrische Kind endlich in den Brunnen geschubst werden soll.

Von Mike Altmann, Fraktionsvorsitzender Motor Görlitz/Bündnisgrüne. Das Gutachten reiht sich ein in zahlreiche Untersuchungen. Es kommt deshalb auch zu keinen neuen Schlussfolgerungen. Im Gegenteil: Dem Gerhart-Hauptmann-Theater wird attestiert, dass keine weiteren Einsparungen möglich sind, da das Haus bereits zahlreiche Schlankheitskuren hinter sich hat. Ohne strukturelle Änderungen wird es keine Effekte geben. Das war vorher bekannt. Warum der Landrat Geld in die Hand nahm, um sich diesen Fakt nochmals über eine externe Firma aufschreiben zu lassen, erschließt sich uns nicht.

Wir können nur davor warnen, die Theaterdebatte mit den aktuellen Haushaltsnöten des Kreises zu verknüpfen. Es bedarf einer breiten inhaltlichen Diskussion, wie es mit dem GHT weitergehen soll. Rein finanzielle Betrachtungen lehnen wir ab. Stattdessen müssen sich alle Beteiligten die Frage stellen, welche Wirkung wir mit dem Theater in Görlitz erzielen wollen. Möchten wir nur regelmäßig Operetten und Musicals sehen?

Oder geht es nicht vielmehr um einen vitalen Theaterbetrieb? Unser GHT mit seinem Ensemble und den weiteren Mitarbeitern organisiert lebendige Kultur in der Region. Das Theater strahlt aus in Stadt und Kreis und reflektiert lokale Themen. Zahlreiche Musikerinnen und Musiker der Philharmonie unterrichten an Musikschulen, Theaterpädagogen üben mit Jugendlichen Stücke ein, die Werkstätten begleiten regionale Aktivitäten. All das fiele weg, wenn Görlitz unter Regie des Deutsch-Sorbischen Volkstheaters Bautzen zur Gastspielbühne degradiert würde. Man kann ein Theater nicht nur von der Ausgabenseite betrachten. Der Gegenwert, den der Landkreis Görlitz und der Kulturraum Oberlausitz-Niederschlesien dafür bekommen, müsste als Einnahme beziffert werden.

Unsere Fraktion appelliert an alle Fraktionen, die Rathausspitze und die Stadtgesellschaft, sich an die Seite des Gerhart-Hauptmann-Theaters zu stellen. Eine Gastspielbühne wäre der Tod auf Raten für das Theater in der Europastadt.


Kommentar:

"Rein finanzielle Betrachtungen lehnen wir ab", sagt der Fraktionsvorsitzende und meint damit sicherlich die erheblichen Kosten, die so ein Theater ohne jeden Zweifel verursacht und die freilich finanziert sein wollen.

Nun habe ich von Kulturfinanzierung aus öffentlichen Mitteln keine Ahnung, fühle mich aber verleitet, das Glasperlenspiel zu spielen und Prinzipien aus Wirtschaftsunternehmen auf das schöne Görlitzer Theater mit seinen schönen Schauspielerinnen, Schauspielern und sonstigen am Erfolg des Hauses beteiligten Angestellten zu übertragen.

Nehmen wir also den Landkreis Görlitz als eine Organisation mit dem Daseinszweck dafür zu sorgen, dass es den Bewohnern gut geht, von der Müllabfuhr bis zur kulturellen Grundversorgung. Nur ein Depp käme jetzt auf die Idee, auf die Müllabfuhr könne man nicht verzichten, auf die Kultur hingegen schon. Anders gesagt: Was gibt es Schlimmeres als geistige Vermüllung? Wer's nicht glaubt, kann gern auf Facebook nachschauen.

Dieser Landkreis Görlitz kommt nun zu dem Schluss, das Theater sei ihm zwar lieb, aber zu teuer. Das sind andere, die sich der Landkreis leistet, vermutlich auch. In einem Wirtschaftsbetrieb käme allerdings niemand auf die Idee, eine dem Eindruck nach zu teure Abteilung – etwa das Marketing – kurzerhand aufzulösen, vielmehr würde zuerst gefragt: Können wir auf die überhaupt verzichten, was würde uns fehlen? Wie würde es sich auf den Gesamtbetrieb auswirken? Können wir denen helfen, selbst mehr Geld zu erwirtschaften?

Im Kern der Betrachtung von Mike Altmann steht dieses "Was würde uns – unwiederbringlich – fehlen?". Auch in seinen befürchteten Auswirkungen auf die Stadt – das Umland einbezogen – kann man ihm sicherlich folgen. Spannend hingegen ist die Frage, wie das Theater selbst zusätzliches Geld erwirtschaften kann. Damit verbunden ist die Frage nach den Wechselwirkungen zwischen dem Theater und der Region wie auch zwischen Tarifvertrag und freier Kunst.

Viele Fragen, wenig Antworten. Die richtigen Fragen zu stellen statt die sprichwörtlichen "Nägel mit Köpfen" zu machen ist jedoch schon mal ein guter Ansatz, meint

Ihr Thomas Beier



P.S.: Die Frage nach dem Einsparpotential ist schon mal falsch: Steigenden Kosten kann man auf Dauer nur mit steigenden Einnahmen begegnen.

Kommentare Lesermeinungen (1)
Lesermeinungen geben nicht unbedingt die Auffassung der Redaktion, sondern die persönliche Auffassung der Verfasser wieder. Die Redaktion behält sich das Recht zu sinnwahrender Kürzung vor.

Die Theater im LK Görlitz

Von H.-P. Bauer am 22.04.2021 - 17:07Uhr
»Kultur kostet Geld. Sie kostet Geld vor allem deshalb, weil der Zugang zu ihr nicht in erster Linie durch einen privat gefüllten Geldbeutel bestimmt sein darf. (…)

Substanziell hat die Förderung von Kulturellem nicht weniger eine Pflichtaufgabe des öffentlichen Haushalts zu sein als zum Beispiel der Straßenbau, die öffentliche Sicherheit oder die Finanzierung der Gehälter im öffentlichen Dienst. Es ist grotesk, dass wir die Ausgaben im kulturellen Bereich "Subventionen" nennen, während kein Mensch auf die Idee käme, die Ausgaben für ein Bahnhofsgebäude oder einen Spielplatz als Subventionen zu bezeichnen. Der Ausdruck lenkt uns in eine falsche Richtung. Denn Kultur ist kein Luxus, den wir uns entweder leisten oder nach Belieben auch streichen können, sondern der geistige Boden, der unsere innere Überlebensfähigkeit sichert!«
(Richard von Weizsäcker)

Dem ist wohl nichts mehr hinzuzufügen, oder?

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  • Quelle: red / Mike Altmann / Kommentar: Thomas Beier
  • Erstellt am 21.04.2021 - 19:03Uhr | Zuletzt geändert am 29.06.2021 - 10:29Uhr
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