Ende einer Ausstellung

Ende einer AusstellungGörlitz, 24. Januar 2011. Was als Besichtigungstermin für den Lions Club Görlitz-Zgorzelec gedacht war, geriet zur Finissage: Die Ausstellung "Jüdische Spurensuche", seit dem 12. November 2010 in der ehemaligen Synagoge zu Görlitz zu sehen, war am 20. Januar 2011 letztmalig geöffnet, für den Club und Gäste. Am nächsten Morgen wurde sie abgebaut.

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"Jüdische Spurensuche" von Jörg Beier bewegt und macht nachdenklich

"Jüdische Spurensuche" von Jörg Beier bewegt und macht nachdenklich
Ein eigens für die Synagoge entwickeltes Ausstellungssystem, das zugleich einen Zaun symbolisiert, verstärkte die Wirkung der oft in alten Koffern präsentierten Objekte
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Thema: Jüdisch

Jüdisch

Juden hatten und haben einen großartigen Anteil an der Entwicklung Deutschlands in Wissenschaft, Kultur und Wirtschaft. Leben ist undenkbar ohne die Erinnerung an die Zeit, als es in Deutschland ausreichte, Jude zu sein, um verhaftet, deportiert und umgebracht zu werden, wenn man nicht rechtzeitig geflohen war.

"Das war schon viel eher vorgesehen", berichtet der Schwarzenberger Holzgestalter Jörg Beier, der mit der Installation einen Teil seiner Sammlungen präsentierte. Aber das Winterwetter habe die Anreise mit dem im Erzgebirge "festgeschneiten" Transporter nicht möglich gemacht. Weil die Stadtverwaltung Görlitz dafür dankenswerter Weise Verständnis gezeigt habe und sich auch der MEETINGPOINT MUSIC MESSIAEN und der Förderkreis der Synagoge für die Ausstellung engagiert hatten, konnte sie stehen bleiben und war dadurch, vor allem für Konzertbesucher, zugänglich.

Die Finissage bot die Gelegenheit für Dr. Albrecht Goetze vom MUSICPOINT, die Resonanz auf die Ausstellung zusammenzufassen. Die ungewöhnliche Aufbereitung des Themas habe viel Zustimmung gefunden, aber auch Fragen aufgeworfen. Anhand von - teils banalen - Originaldokumenten von Tätern und Opfern entstand ein eindringliches Bild jener Zeit, als sich eine Mehrheit deutscher Bürger nicht scheute, eine Minderheit bis hin zur Ermordung zu unterdrücken.

Beiers Interesse galt dem Verhalten - in Verantwortung und Schicksal - des einzelnen Menschen. Wie hatte es dazu kommen können, dass geachtete und sozial engagierte Bürger plötzlich als Juden diffamiert, entrechtet und vertrieben wurden? Während die erste Installation der Ausstellung in der Galerie Silberstein in Schwarzenberg noch stark auf lokale Ereignisse und Figuren abstellte war der Rahmen in Görlitz weiter gefasst.

Dennoch: Immer wieder dokumentiert ist das Handeln Einzelner, die andere herabwürdigen. Als Wehrmachtssoldat bei der Kontrolle, beim Zusammentreiben von Menschen, beim Verhungern lassen, beim Morden. Auch dokumentiert sind die Ereignisse um mit Juden besetzte Flüchtlingsschiffe in der Nachkriegszeit. Wie stark das Tabu der Verantwortung und Beteiligung noch immer wirkt belegen Drohbriefe, die Beier im Zusammenhang mit seiner Ausstellung in Schwarzenberg erhalten hat.

Eine wichtige Ausstellung, zeigt sie doch wie wichtig es ist, nicht in der Masse dumpfer Vorurteile mitzuschwimmen, sondern vorurteilsfrei für menschenwürdiges Leben einzutreten - jederzeit und an jedem Ort.

Eventuell wird die berührende Ausstellung als nächstes in Berlin zu sehen sein. Entstanden ist der Kontakt dafür übrigens in Görlitz.

Mehr:
Subtile Einblicke in jüdisches Leben (mit Bildergalerie zur Ausstellung)



Kommentar:

Eine Ausstellung, die den Widersinn aufzeigt, dem die Deutschen unter der Naziführung massenweise erlegen sind: Ein Soldat präsentiert liebevoll und stolz sein Kind - gleich daneben verhungern Kinder unter den Augen der gleichen Uniformträger auf der Straße.

Wo fängt das Verbrechen an? Beim Ausländerwitz? Beim "Ich will nicht, dass meine Kinder mit Alis in einer Klasse sitzen"? Oder "Ich kauf´ nicht beim Fidschi"? Wie weit ist es dann bis zur Prügelattacke? Bis zum "die sind ja selber Schuld"? Verbrechen bleibt Verbrechen, auch wenn es von einem Staat gesetzlich gedeckt wird.

Die heutige Generation in Deutschland ist nicht Schuld an dem Leid, das Deutsche in der Nazizeit über die Welt gebracht haben. Aber sie trägt Verantwortung dafür zu sorgen, dass es nie wieder geschehen kann, dass eine Auffassung von Überlegenheit über andere Länder, Völker, Gebräuche, Lebensweisen oder Religionen gesellschaftlich Anklang findet.

Diese Verantwortung trägt jeder,

denkt Ihr Fritz R. Stänker

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  • Quelle: red | Fotos: © BeierMedia.de
  • Erstellt am 24.01.2011 - 18:53Uhr | Zuletzt geändert am 13.07.2021 - 16:55Uhr
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