Die Stadthalle als Wahlkampf-Thema

Görlitz-Zgorzelec. Auf Äußerungen des CDU-Landtagsabgeordneten Volker Bandmann in der Sächsischen Zeitung zum Thema Stadthalle reagierte nun der Görlitzer Oberbürgermeister Joachim Paulick. Im Gegensatz zum Abgeordneten sieht der Verwaltungschef keinen Bedarf an weiteren Studien. Paulick sieht vielmehr konkreten Handlungsbedarf, der durch eine solide Finanzierung untersetzt sein muss.

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Oberbürgermeister fordert Prioritätensetzung

Thema: Stadthalle Görlitz

Stadthalle Görlitz

Die Stadthalle Görlitz wurde 1910 als Veranstaltungsort des Schlesischen Musikfestes eröffnet. Hoher Sanierungsbedarf und die ungenügende Selbstfinanzierung führten im Jahr 2005 zur Einstellung des Betriebs und zu Verkaufsbestrebungen seitens der Stadt Görlitz. Die Ende Januar 2010 vom Stadtrat beschlossene Sanierung wurde, ohne dass Arbeiten am Gebäude begonnen hätten, im Oktober 2012 gestoppt, weil Fristen für Fördermittel zu kurz waren. Erst 2018 stellten Bund und Land Geld für eine über die Sicherung hinausgehende Sanierung bereit. Eine große Herausforderung stellen die Betriebskosten für die Stadthalle Görlitz dar.

Der Oberbürgermeister der Stadt Görlitz nimmt die Äußerungen Bandmanns zum Anlass, seine Sichtweise mit Fakten zu untermauern: „Wir brauchen keine weiteren Studien, auch wenn die Sächsische Aufbaubank dafür gern Fördermittel bereitstellen würde. Auch hier gilt, dass es keine Förderung ohne Eigenmittelanteil gibt! Uns liegen mehrere aussagekräftige Studien renommierter Häuser vor, wie der Redakteur selbst richtigerweise in einer Bildunterschrift feststellt hat. Das Ergebnis einer weiteren Studie kann nicht anders lauten, als dass wir unter den jetzigen Voraussetzungen finanziell nicht in der Lage wären, eine Investition in dieser Größenordnung zu stemmen."

Investitionssumme, Förderung, Betriebskosten und Betreiberzuschuss müssen dargestellt werden

Offenbar wird mit Förderquoten argumentiert, die nicht belegt sind, denn Paulick rechnet vor: „Bei einer Investitionssumme von ca. 35 Millionen Euro und der von Herrn Bandmann in Aussicht gestellten 60-prozentigen Förderung müsste die Stadt trotzdem gut 14 Millionen Euro aufbringen. Da uns bisher kein Förderprogramm mit dieser Förderquote bekannt ist, wäre es spannend zu erfahren, woher diese Aussage stammt oder ob nur die Stadt Görlitz eine solche Förderung in Anspruch nehmen könnte." Und 14 Millionen würden momentan auch nirgendwo „auf Halde" liegen, setzt Paulick hinzu.

Für eine gemeinsame Untersuchung der Stadthalle und des Zgorzelecer Kulturhauses sieht der Görlitzer Oberbürgermeister keinen Bedarf, „da die Sanierung des Dom Kultury für die Stadt Zgorzelec im Moment keine prioritäre Bedeutung besitzt. Für die Stadthalle allein wissen wir, dass die Förderung aus dem Ziel-3-Programm nicht in Frage kommt.“

Das größte Problem bei der Stadthalle ist aus Sicht der Rathausspitze die nach wie vor ungeklärte Sicherstellung der Investition und der Kosten für die Betreibung. Begehrlichkeiten, sich am Neißefonds zu vergreifen, um damit Betriebskosten zu bezahlen, muss Paulick zurückweisen: „Wer den Einsatz von Mitteln aus dem Neißefonds in Erwägung zieht, sollte Kenntnis darüber haben, dass dieses Geld für nachhaltige Investitionen angelegt ist und deshalb wohl besser als Eigenmittel für die Sanierung eingesetzt wären. Das Geld aus dem Neißefonds wäre allerdings ohnehin erst Ende 2011 verfügbar."

Wer sich die Stadthalle leisten will, kommt nicht umhin, Prioritäten zu setzen und verantwortungsvoll zu wirtschaften. Paulick dazu weiter: „Die größere Frage ist, ob es uns bis dahin gelungen ist, den Forderungen der Rechtsaufsicht nach Haushaltskonsolidierung im erforderlichen Maße nachzukommen - mindestens drei Prozent Überschuss im Verwaltungshaushalt zu erwirtschaften, die Folgen der Wirtschafts- und Finanzkrise abfedern, die Finanzierung des ÖPNV sicherzustellen und dauerhaft einen Betreiberzuschuss für die Stadthalle darstellen zu können. Der Stadtrat will im Herbst dieses Jahres über die Haushaltssicherung beraten. Dies wird nur mit einer Prioritätensetzung sowie der Verabschiedung von freiwilligen Aufgaben und Ausgaben einhergehen können. Wir können kein Geld drucken!“

Neue Ausschreibung muss dem Vergaberecht folgen

Der von der Rechtsaufsicht punktuell beanstandete Beschluss Nr. 744-08 soll voraussichtlich im September aufgehoben werden. Aus Sicht der Stadt ist eine erneute Ausschreibung der nächste Schritt. „Die vorherige Ausschreibung hat uns zur Erkenntnis gebracht, dass die Stadt einen Betreiberzuschuss zahlen sollte. Diese Auffassung teilten auch die damaligen Interessenten. Letztlich bleibt der Stadt nun nur die erneute Ausschreibung zur Suche eines Käufers, Investors und Betreibers sowie der verbindlichen Zusage eines Zuschusses“, begründet Paulick die Entscheidung.

Leider werde in der Öffentlichkeit wiederholt der Eindruck erweckt, dass die Stadt dabei freie Hand habe. Für eine Kommune gelten aber andere Anforderungen als für die freie Wirtschaft: „Wir können nicht eben mal so Verhandlungen mit einem Interessenten führen und Verpflichtungen eingehen. Wir sind an die Bestimmungen des Vergaberechts gebunden.“

Hallen-Konkurrenz?


Eine Konkurrenz zu den geplanten Hallen in Zgorzelec und Löbau sieht der Görlitzer Oberbürgermeister im Gegensatz zur Darstellung in der Sächsischen Zeitung vom 26. August 2009 nicht.

Dem Bau einer Mehrzweckhalle in Zgorzelec hat der Görlitzer Stadtrat unter der Voraussetzung seine Zustimmung erteilt, dass dort in Zukunft nur solche Veranstaltungen stattfinden, die für die Görlitzer Stadthalle ohnehin nicht in Frage kommen. Die Stadt Zgorzelec hat im Juni ihren Antrag auf Fördermittel aus dem grenzüberschreitenden Ziel-3-Programm zum Bau der Sport- und Veranstaltungshalle bei der Sächsischen Aufbaubank eingereicht, er wird dort zurzeit bearbeitet. Einziger Kooperationspartner bei diesem Antrag ist die Stadt Görlitz. Seine Unterstützung für die Görlitzer Stadthalle hat der Zgorzelecer Bürgermeister Rafal Gronicz in einem Schreiben an den Oberbürgermeister erklärt.

Ob eine Mehrzweckhalle aus den Ziel-3-EU-Mitteln gefördert werden kann, ist eher fraglich. Mit dem Löbauer Oberbürgermeister ist die Stadt Görlitz im Gespräch. Er korrigierte dabei die in der Zeitung veröffentlichten Daten, welche den Anschein einer Konkurrenz zur Görlitzer Stadthalle wecken. Die neue Löbauer Halle soll anstelle der seit vielen Jahren eingesetzten und höhere Kosten verursachenden Zelte insbesondere für die Gewerbemesse Konventa nachgenutzt werden, eine Größe von 50 x 100 Metern haben und wird keinen Zuschauer- oder Cateringbereich enthalten.

Für die Görlitzer Stadthalle hatte der Landkreis Görlitz erst kürzlich erneut seine Unterstützung zugesichert.


Kommentar

Ein Trauerspiel ist das schon, was sich da um die Görlitzer Stadthalle abspielt. Mit Sicherheit ist die Materie kompliziert und die öffentliche Hand in Gestalt des Oberbürgermeisters kann eben nicht agieren wie ein freier Unternehmer, der sich Geld am Markt beschaffen und ein Stück Risiko tragen kann.

Übel: Anstelle dem Oberbürgermeister in Sachen Stadthalle den Rücken zu stärken, wird in den Rücken geschossen. Allein die in der Presse verbreitete Behauptung, der Oberbürgermeister spiele auf Zeit ... warum sollte er das tun? Selbstverständlich liegt ihm als Görlitzer die traditionsreiche Stadthalle am Herzen, selbstverständlich würde er, so darf unterstellt werden, gern als der Oberbürgermeister, der die Stadthalle gerettet hat, in die Annalen eingehen! Aber wie soll die Stadthallensanierung gelingen, wenn konstruktive Sacharbeit lieber Politgeplänkel und möglichen persönlichen Befindlichkeiten geopfert wird.

Mal ganz abgesehen vom oben erwähnten Landtagsabgeordneten scheinen manche Politiker nur im Wahlkampf aus ihrem Wachkoma zu aufzuschrecken, um nach wählerstimmenträchtigen Themen zu suchen. Wie erfolgreich ist denn die Politik der Volksvertreter pro Görlitzer Stadthalle seit 2004 gewesen? Das Ergebnis kann man sich in Form der verriegelten und verrammelten Stadthalle ansehen.

Hoyerswerda jedenfalls bekommt heute einen Scheck für den Umbau der Lausitzhalle, auch wenn der aus dem Bund-Länder-Programm „Stadtumbau Ost" gedeckt wird.

Herzlichen Glückwunsch!


Ihr Fritz R. Stänker



Mehr zur Lausitzhalle:
http://www.bautzner-anzeiger.de

Kommentare Lesermeinungen (2)
Lesermeinungen geben nicht unbedingt die Auffassung der Redaktion, sondern die persönliche Auffassung der Verfasser wieder. Die Redaktion behält sich das Recht zu sinnwahrender Kürzung vor.

Das Ergebnis zählt

Von Ernst am 28.08.2009 - 01:02Uhr
In der ganzen Kakophonie rund um unsere Stadthalle hat Fritz Stänker recht wenn er sagt, dass man sich das Ergebnis der Bemühungen in Fom der "verriegelten und verrammelten Stadthalle" ansehen kann. Da sollten Politiker lieber die Klappe halten und ihren Job machen.

Die Katz´ beißt sich in den Schwanz - gäbe es eine vernünftige wirtschaftliche Entwicklung in Görlitz, wären der Haushalt gesund und die Betreiberzuschüsse für die Stadthalle kein Thema, weil aus der Portokasse bezahlt.

Was ist das für eine (Kultur!)Stadt, die ihre ehrwürdige Stadthalle durch die Bierhalle einer Brauerei ersetzen lässt!

Neben einer Reihe anderer Ursachen glaube ich, dass auch die Fachhochschule Zittau/Görlitz gründlich versagt. Wo bleiben die bemerkenswerten Ausgründungen? Es werden "Kommunikationspsychologen" mit Halbwissen ausgestattet, Leute, die am Arbeitsmarkt niemand braucht.
Die gründen in ihrer Verzweiflung dann höchstens mal eine Werbeagentur als One-Man-Show, landen vielleicht gleich in Hartz IV oder arbeiten als Billigtrainer für Bildungsunternehmen. Oder manche Frolleins nehmen diesen Studiengang noch mit, ehe sie bei den drei K (Küche, Kinder, Kirche) vermodern. Substanzielle StartUps und Unternehmerpersönlichkeiten made in Zittau/Görlitz? Eher Fehlanzeige!

Leute, für Ostsachsen gilt das Münchhausenprinzip, wir müssen uns schon selber aus dem Elend ziehen, um attraktiv für Zuzügler auch unter 60 Jahren und Investoren zu werden. Und um die verbliebenen guten Leute hier zu halten.

Übrigens ist es schade, dass sich hier immer nur die selben Leute zu Wort melden. Oder denkt sonst niemand über Görlitz und die Region nach?

Wie wahr, wie wahr !

Von Kurt Serafinowicz am 27.08.2009 - 18:44Uhr
Wie wahr, wie wahr, Herr Stänker,

ich erwarte neben dem mittlerweile lächerlichen Stadthallenthema am Freitag in der SZ wie bei der vorigen Wahl einen ganz besonderen Hit. Am letzten Tag erwarte ich zehn Jungfrauen (natürlich mit ihren kleinen Schwestern) und die verlangen die Eröffnung des Helenenbades und Herr Schulze oder Herr Bandmann oder, oder, oder hat schon die Fördermittel in der Tasche und der OB weigert sich, dieses Geschenk anzunehmen. Aber erst nach der Wahl stellt sich heraus, dass es Spielgeld war!

Trotzdem fordern wir (natürlich ganz Görlitz, natürlich mit Plakataktionen!) die Abwahl des unfähigen OB wegen Zauberei, denn wie konnte er immer voraussehen, dass unsere Politiker mit Enten befreundet sind und somit jede Menge Enten in die Welt setzen können.

Es ist zu schlimm, um darüber zu lachen! Aber es ist Tatsache!

Wie wahr, wie wahr !

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  • Quelle: /red | /Fritz Rudolph Stänker | Foto: /BeierMedia.de | Erstveröffentlichung am 27.08.2009 - 13:50 Uhr
  • Erstellt am 27.08.2009 - 12:10Uhr | Zuletzt geändert am 10.10.2012 - 06:41Uhr
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