Paulick sucht Win-Win-Situation für Einkaufszentrum und Weltkulturerbe

Görlitz. Was hat die Absicht, auf der Berliner Straße zu Görlitz ein Einkaufszentrum zu errichten, mit der Görlitzer Welterbe-Bewerbung zu tun? Nichts, außer dass beide Projekte gleichzeitig diskutiert werden, meint die Stadtverwaltung Görlitz.

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Görlitzer Oberbürgermeister setzt auf guten Kompromiss zum Wohle der Stadt

Nach eigener Darstellung hat die Stadt Görlitz an der Wiederbelebung des oberen Teils der Berliner Straße großes Interesse, dazu träfe auch das kürzlich fertig gestellte Einzelhandelskonzept klare Aussagen.

Die Stadt sieht im oberen Teil der Berliner Straße die Möglichkeit, den sorgfältigen Umgang mit ihrer historischen Bausubstanz, mit Denkmalen und Neubauplänen exemplarisch unter Beweis zu stellen. Deshalb hält sie es für unumgänglich, das von einem Investor angestrebte Einkaufszentrum, dem historische Bausubstanz geopfert werden müsste, mit dem Wettbewerb um den den Titel “UNESCO-Welterbe“ abzustimmen. Der Görlitzer Oberbürgermeister Paulick kennt die Brisanz der Situation und sucht eine bürgerfreundliche Lösung: "Das eine schließt das andere nicht aus. Um einen Kompromiss zu verhandeln, muss man den Beteiligten aber die nötige Zeit geben. Darum bitten wir Sie. Die aktuelle Entweder-Oder-Debatte birgt die Gefahr, mindestens eine Hälfte der Bevölkerung zu enttäuschen."

Die bisherigen Fakten


Ein Investor hat einen Antrag zur Einleitung des Verfahrens zur Aufstellung eines Vorhabenbezogenen Bebauungsplanes für das Projekt Einkaufspassage Berliner Straße / Salomonstraße (kurz „B 40“ genannt) gestellt. Seine Absicht ist es, dort ein Geschäfts- und Parkhaus zu bauen - zu Lasten historischer, teils aber auch maroder Bausubstanz. Allein diese Tatsache hatte heftige Emotionen bei Befürwortem eines neuen EInkaufszentrums und andererseits bei Denkmalfreunden hervorgerufen.

Ungeachtet dessen folgt auf den Investorenantrag ein geordnetes und vorgeschriebenes Verfahren. Dazu sind im bundesweit gültigen Baugesetzbuch Normalverfahren und Varianten geregelt. Welcher Weg nun beschritten werden kann, hängt allem von Fragen zur Umweltverträglichkeit ab, die noch nicht endgültig entschieden sind. Diese vorab nötige Klärung wird gegenwärtig in Zusammenarbeit mit dem Investor und den Vertretern des Umweltamtes im Landratsamt herbeigeführt.

Im Prinzip läuft ein solches Verfahren in diesen Schritten ab:

1. Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan
2. Beschluss zum Verfahren
3. inhaltliche Arbeit an den Entwürfen für Planzeichnung, Text und Begründung
4. frühzeitige Beteiligung der Behörden und der Öffentlichkeit
5. Auslegungsbeschluss
6. formelle Beteiligung der Behörden und der Öffentlichkeit
7. Zusammenfassung und Systematisierung der Stellungnahmen beider Beteiligungen
8. Vorbereitung der Abwägung
9. Abwägung der Belange aus beiden Beteiligungen
10. Satzungsbeschluss
11. Plangenehmigung
12. Inkraftsetzung

Aktuell steht das Verfahren noch immer vor dem Schritt 1, denn der Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan ist erst für die Stadtrats-Sitzung am 26. Januar 2012 vorgesehen. Der Stadtrat ist Herr des Verfahrens und muss die entsprechenden Beschlüsse - wie Aufstellung, Abwägung, Satzung - fassen.

Die Dauer des Verfahrens ist von vielen Faktoren abhängig, so beispielsweise von der Qualität der eingereichten Planungsunterlagen wie auch von notwendigen Veränderungen als Folge der bei der Beteiligung der Behörden und der Öffentlichkeit geäußerten Belange und dadurch ggf. Wiederholung einzelner Verfahrensschritte. Ziel ist es, Baurecht herzustellen und dem Investor die Umsetzung seines Vorhabens unter den dann festgesetzten Bedingungen zu ermöglichen. Mit der frühzeitigen und auch der formellen Beteiligung der Träger öffentlicher Belange und der Öffentlichkeit werden alle Sachargumente pro und wider das Vorhaben aufgenommen.
Dieses demokratische Verfahren hat die Aufgabe, unterschiedliche Interessen auszugleichen und im Rahmen einer Abwägung durch den Stadtrat eine Entscheidung treffen zu lassen.

Im Rahmen dieses Verfahrens ist auch die Untere Denkmalschutzbehörde zu beteiligen. Wie die Stadtrveraltung Görlitz mitteilt entspräche es nicht den Tatsachen, dass die Denkmalschutzbehörde der Stadt sich grundsätzlich gegen eine wirtschaftliche Entwicklung des Bereiches obere Berliner Straße stelle. Seit Beginn der Gespräche habe die Denkmalschutzbehörde vielmehr erklärt, dass sie eine Entwicklung positiv bewerte und mittrage.

Grundlage für Zustimmungen und Genehmigungen sei jedoch, dass dabei die Belange des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege angemessen berücksichtigt würden. Festgeschrieben sei das im Sächsischen Denkmalschutzgesetz §1 (3), woi es heißt: "Die Belange des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege sind bei allen öffentlichen Planungen und Maßnahmen angemessen zu berücksichtigen."

Gesetzliche Aufgabe des Denkmalschutzes, so die Stadtverwaltung, sei es, Kulturdenkmale zu schützen und zu pflegen. Dabei sei auch die Charta von Venedig zu beachten, die von der Bundesrepublik Deutschland unterschrieben wurde und Grundlage allen denkmalpflegerischen Handelns ist. Im Artikel 5 der Charta heißt es: "Die Erhaltung der Denkmäler wird immer begünstigt durch eine der Gesellschaft nützliche Funktion. Ein solcher Gebrauch ist daher wünschenswert, darf aber die Struktur und Gestalt der Denkmale nicht verändern. Nur innerhalb dieser Grenzen können Entwicklungen gesellschaftlicher Ansprüche und durch Nutzungsänderungen gedingte Eingriffe geplant und bewilligt werden."

Die Stadt Görlitz geht davon aus, dass die Denkmalpflege bei ihren Entscheidungen - unter zwingender Einhaltung des Sächsischen Denkmalschutzgesetzes - im Sinne der Sache ihre Ermessensspielräume auslotet. "Wenn alle Verfahrensbeteiligten bereit sind, im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten aufeinander zuzugehen, ist auch unter Beachtung der Belange des Denkmalschutzes ein qualitativ und inhaltlich guter Kompromiss möglich", heißt es in einer Mitteilung wörtlich.

Auf eine Win-Win-Situation setzt auch Oberbürgermeister Paulick: "Es hilft niemanden, wenn in der Öffentlichkeit Fronten aufgebaut werden und der Denkmalschutzbehörde oder dem Investor Blockade vorgeworfen werden. Deshalb hoffen wir auf die Besonnenheit der Görlitzer Bevölkerung; ehe vorschnelle 'Urteile' für oder gegen die beiden Vorhaben gefällt sind. Unser Bestreben ist es, beide Vorhaben erfolgreich zum Nutzen der Stadt zum Ziel zu führen."

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  • Quelle: red
  • Erstellt am 06.01.2012 - 01:54Uhr | Zuletzt geändert am 06.01.2012 - 02:37Uhr
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