Stadthalle Görlitz: Deinege zieht Notbremse

Görlitz, 9. Oktober 2012. Umstritten war das Projekt seit langem: Macht es Sinn, eine Stadthalle mit Millionenaufwand zu rekonstruieren, für die ein adäquater Bedarf an der Nutzung nicht besteht? Dem Vernehmen nach hatte der Görlitzer Oberbürgermeister Siegfried Deinege am 5. Oktober 2012 im kleineren Kreis jene Informationen aus Dresden besprochen, die jetzt zu einer offiziellen Erklärung geführt haben: Die Empfehlung an den Stadtrat für das Aus für eine kurzfristige Sanierung der Stadthalle Görlitz.

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Erklärung des Oberbürgermeisters Siegfried Deinege zum Sanierungsvorhaben Stadthalle Görlitz

Thema: Stadthalle Görlitz

Stadthalle Görlitz

Die Stadthalle Görlitz wurde 1910 als Veranstaltungsort des Schlesischen Musikfestes eröffnet. Hoher Sanierungsbedarf und die ungenügende Selbstfinanzierung führten im Jahr 2005 zur Einstellung des Betriebs und zu Verkaufsbestrebungen seitens der Stadt Görlitz. Die Ende Januar 2010 vom Stadtrat beschlossene Sanierung wurde, ohne dass Arbeiten am Gebäude begonnen hätten, im Oktober 2012 gestoppt, weil Fristen für Fördermittel zu kurz waren. Erst 2018 stellten Bund und Land Geld für eine über die Sicherung hinausgehende Sanierung bereit. Eine große Herausforderung stellen die Betriebskosten für die Stadthalle Görlitz dar.

Der Görlitzer Oberbürgermeister Siegfried Deinege erklärt:

"In den zurückliegenden Wochen habe ich viel Zeit investiert, mich in die Prozesse und Abläufe innerhalb der Stadt einzuarbeiten. Als eines der wichtigsten Großprojekte hat die Stadthalle dabei einen hohen Stellenwert eingenommen und ich habe dieses Projekt mit großer Entschiedenheit und Sorgfalt geprüft und angetrieben.

In vielen Gesprächen, Konferenzen und Planungstreffen wurde das Projekt ausführlich diskutiert. Sinn und Zweck einer Planung ist es, Abläufe zu hinterfragen, vorhersehbare Risiken zu erkennen und diese bereits im Vorfeld einer Umsetzung zu minimieren. Im Ergebnis der bisherigen Planung zur Sanierung der Stadthalle mussten wir feststellen, dass die Erwartung, zeitliche und finanzielle Risiken zu verringern, nicht eingelöst werden konnte. So bitter es ist, müssen wir jetzt zur Kenntnis nehmen: Mit dem Sanierungsprojekt wurde mindestens ein Jahr, wenn nicht anderthalb Jahre zu spät begonnen. Ein solch umfassendes Vorhaben, an einem denkmalgeschützten Gebäude, im öffentlich-rechtlichen Raum und mit den zu beachtenden Vorschriften für europäische Fördermittel, ist in der uns noch zur Verfügung stehenden Zeit nicht zu realisieren, ohne dass erhebliche finanzielle Risiken für die Stadt eingegangen werden, die ich als Oberbürgermeister nicht verantworten kann.

Wir haben seit vier Wochen die Entwurfsplanung vorliegen. Erst auf dieser Basis kann der Prüfaufwand verlässlich eingeschätzt werden. Und das zuständige Landesamt für Steuern und

Finanzen sagt deutlich: Eine kurzfristige Prüfung ist möglich, aber eine belastbare Einschätzung über die tatsächliche Höhe der Fördermittel wird erst Ende November möglich sein. Wir haben uns mit dem Landesamt an einen Tisch gesetzt und alle Optionen des Prüfverfahrens durchgesprochen. Am Ende bleibt es dabei: Das finanzielle Risiko einer vorläufigen Plausibilitätsprüfung bleibt einzig und allein bei der Stadt, und: Um das Zeitfenster für die geplante Abrechnung der Fördermittel bis Mitte 2015 einhalten zu können, müsste die Stadt Görlitz unverzüglich und ohne belastbaren Förderbescheid die nächsten Planungsphasen mit einem Gesamtvolumen von etwa zwei Millionen Euro beauftragen. Diese zwei Millionen Euro wären weitgehend umsonst investiert, wenn Ende des Jahres ein Förderbescheid eingeht, der uns mitteilt, dass die Fördersumme um eine oder sogar mehrere Millionen Euro geringer ausfällt, als wir sie benötigen.

Angesichts dieser Gesamtlage, einer Vielzahl von Risiken, die sich durch die Planung nicht haben minimieren lassen, sowie einer nicht abschließend geklärten Fördersituation sehe ich mich als Oberbürgermeister der Stadt Görlitz in der Verantwortung dem Stadtrat zu empfehlen, die „Einstellung des Projektes: Sanierung Stadthalle“ zu beschließen.

Diese Entscheidung ist mir persönlich sehr schwer gefallen und ich empfinde sie als sehr bitter. Natürlich habe ich die Entscheidung mit meinem Kollegen Herrn Dr. Wieler und den zuständigen Fachexperten beraten. Der enge Zeitrahmen für die Abrechnung der Fördermittel sowie ein etwaiges komplettes Aufbrauchen der finanziellen Rücklagen der Stadt Görlitz haben mich zu meiner Entscheidung, dem Stadtrat den Stopp der Sanierungsmaßnahme zu empfehlen, bewogen.

Auch mit Blick auf die Mitarbeiter, die Kollegen, für alle, die mit viel Engagement für das Projekt Stadthalle gearbeitet haben, bedaure ich diese Entwicklung. Bei Ihnen allen möchte ich mich für Ihren Einsatz und die intensive Arbeit an diesem ehrgeizigen Vorhaben herzlich bedanken. Ebenfalls möchte ich an dieser Stelle der Landesregierung für ihre intensive Begleitung und Unterstützung danken.

Trotz meiner jetzigen Empfehlung an die Stadträte, das Projekt „Sanierung Stadthalle“ zum jetzigen Zeitpunkt einzustellen, führe ich die Gespräche über die Zukunft der Stadthalle weiter.

Wir haben mit der uns vorliegenden Entwurfsplanung ein architektonisches Konzept und wissen nun, wie die Stadthalle künftig aussehen soll. Das ist der Gewinn des in den letzten Jahren beschrittenen Weges. Für eine spätere Sanierung der Stadthalle sind wir nun so gut vorbereitet, wie noch zu keinem Zeitpunkt nach der Schließung der Stadthalle. Mein Hauptaugenmerk liegt bei allen weiterführenden Überlegungen auf einem funktionierenden Betriebskonzept. Gemeinsam mit der Landesregierung werden wir Wege finden, das Projekt „ Stadthalle“, unter Verwendung des jetzt vorliegenden Entwurfsplanes, umsetzen zu können."

Kommentare Lesermeinungen (8)
Lesermeinungen geben nicht unbedingt die Auffassung der Redaktion, sondern die persönliche Auffassung der Verfasser wieder. Die Redaktion behält sich das Recht zu sinnwahrender Kürzung vor.

Netzwerke sind da

Von ko.bold am 12.10.2012 - 13:59Uhr
@Frank - Ich verstehe Deine Aufregung gar nicht. Die Netzwerke funktionieren doch tadellos. Man verfängt sich ständig in seinen eigenen Spinnweben... ;-)

Irgendwann ist das Netz dann voll und die Werke sind gebündelt der Spinne zu übergeben - dem Stadtverweser. So nennt man einen Mann oder eine Frau, der/die vom Staat eingesetzt wird, um eine marode Stadt notdürftig zu verwalten.

Stadthalle und Kaufhaus

Von Dr. P. Sander am 12.10.2012 - 10:29Uhr
Ich gratuliere allen Görlitzern, die jetzt erschüttert sind von "Ihren" Volksvertretern!

Jeder bekommt doch was "ER" der "Souverän" verdient und gewollt hat.

Wie wäre es eigentlich, für einen symbolischen Euro z.B. die Stadthalle an eine Abrissfirma zu verkaufen, damit Langzeitarbeitslose (ALG II) für den 1. Arbeitsmarkt vorbereitet werden? Dies schönt sogar noch die Arbeitslosenstatistik und hilft der CDU sicher beim kommenden Wahlkampf!

Erfahrungen mit dem Verfall ganzer Stadtviertel gibt es ja ausreichend, deshalb auch Dank in Richtung "Die Linken"-

Na dann weiter so.

Dr. P. Sander

Doch keine Netzwerke?

Von Frank am 11.10.2012 - 22:17Uhr
Jetzt scheinen die im Wahlkampf ständig beschworenen "Netzwerke" des neuen OB, wie von mir vorhergesagt, nicht zu funktionieren, die erste Bewährungsprobe für den neuen OB ging nach hinten los.

Hätte der letzte OB so eine Veröffentlichung veranlasst, wären die SZ sowie das "Riesenbündnis der Deinege-Wähler" vernichtend über ihn hergefallen. Genau derselbe Bürgermeister Dr. Wieler liefert nun andere Zahlen. Die Fachämter haben ihre Besetzung seit dem letzten OB auch nicht geändert, woher kommt der plötzliche Umschwung?

Die Stadträte werden die Angelegenheit sicher erst mal "Auf Eis legen" bis der Abriss unvermeidlich ist.

Spätestens hier müsste doch dem CDU-Mann Leder (Bausachverständige sollten die Kosten im Blick haben) vom Stadthallenverein der Kragen platzen, aber der wird sicher brav sein Pfötchen heben zum Deinege-Vorschlag. Das erinnert stark an die Butziger-Zeiten.

Warten wir mal ab, wann das "Netzwerk" mal funktioniert.

Guten Start ins Wochenende wünscht Frank!

Entscheidung Stadthalle

Von Wilfried Schubert am 10.10.2012 - 21:18Uhr
Herr Deinege, im Waggonbau die Kollegen mit Handschlag begrüßt, toll. Das war der Chef des Arbeiters!

(...)

Herr Deinege, seine erste im Amt wesentliche Entscheidung: Katastrophe!
Anstatt kämpferisch das Thema "Stadthalle" weiterzuführen, stopp! - mit der Begründung "Termin-Verzug". Ausrede, Angst vor der Verantwortung?

Die Bürger der Stadt wollen ihre Stadthalle, ein Zentrum ihrer Stadt, nicht erst zum Nimmerleinstag.

Herr Deinege, kämpfen Sie um die Sanierung der Stadthalle, auch um die "Mittel" nach 2015.

Viel Kraft und Erfolg!

Wilfried Schubert

Wahlversprechen

Von Jens am 10.10.2012 - 18:26Uhr
Ich kann Herrn Brendler nur zustimmen.

Die Sanierung der Stadthalle ist in zwei Wahlkämpfen von der CDU missbraucht worden. Man hat damit (aus ihrer Sicht) die Kommunalwahl 2009 gewonnen und ja sofort eine Entscheidung im Stadtrat mit der neuen Koalition herbeigeführt. Übrigens gegen den Antrag vom damaligen OB, die Stadthalle mit einem festen Zuschuss der Stadt öffentlich auszuschreiben und einen privaten Investor zu suchen. Es soll wohl auch Interessenten gegeben haben.

Aber das alles interessierte nicht, denn die OB-Wahl war ja auch absehbar. Der Baubürgermeister hatte die Aufgabe, alles erst einmal schönzurechnen. Später kam dann eine Ernüchterung nach der anderen. Der "Schwarze Peter" wurde so lange zwischen Landkreis, Landesregierung und der Stadt hin und her geschoben, bis nun die Zeit knapp geworden ist. Es gibt übrigens auch jetzt noch keine belastbaren Aussagen zum zu erwartenden städtischen Zuschuss.

Fazit: Zwei Wahlen gewonnen, viel Geld verbrannt und die Leute verarscht. Das ist CDU-Politik, nicht nur in Görlitz und nicht nur mit unserer Stadthalle.

Leute, denkt auch bei den nächsten Wahlen noch daran und lasst euch nicht weiter verdummen.

Stadt"räte"?

Von ko.bold am 10.10.2012 - 14:27Uhr
Sie werden nichtssagend nach dem Doktor rufen.....und der dann: "nicht operieren, nein, intrigieren und das wie immer vor mir, auf allen Vieren ;-)

Stadthalle: bitter

Von Görzelec am 10.10.2012 - 12:48Uhr
Ohne belastbares Betreiberkonzept, das die vorhandene Spielstätten-Struktur der Region berücksichtigt und sinnvoll ergänzt, war diese Positionierung absehbar und ist auch nicht völlig von der Hand zu weisen.

Mal sehen, was die übrigen Stadträte dazu meinen.

Erstes Wahlversprechen eingelöst!?

Von Frank Brendler am 10.10.2012 - 11:11Uhr
Na ja, nun ist es endlich raus!

Dem aufmerksamen Beobachter dürfte schon im Wahlkampf die Abneigung des Herrn Deinege gegenüber dem Projekt Stadthalle aufgefallen sein. Ich erinnere nur an die Diskussion im Gleis 1. Und nun hat der OB endlich einen Grund gefunden: die Zeitschiene!

Verkommt das Rathaus zum Irrenhaus? Hat nicht Herr Dr. Wieler vor kurzem noch für den Planungsentwurf bzw. die baulichen Veränderungen (Anbau) eindringlich geworben? Wurde nicht auch auf den Hinweis, „wenn jetzt nicht dafür gestimmt wird, ist das nicht zu schaffen“ auf die Stadträte enormer Druck ausgeübt? Bis vor kurzem hieß es noch „wenn jetzt nicht saniert wird, schaffen wir das nie. Nur jetzt gibt es noch Fördermöglichkeiten“.
Da dies ja nicht zuzutreffen scheint, werden ab jetzt sicherlich die vielbeschworenen Netzwerke zum Einsatz kommen.

Wie fühlen sich eigentlich die Stadträte? Enorme Kraft ist aufgewendet worden, um die Unterlagen durchzuarbeiten - viel Zeit. Und das wird alles mit einer Aussage des OB in der hiesigen „Tageszeitung“ vom Tisch gewischt.

Wie fühlen sich eigentlich die Stadträte, da sie ja die Entscheidung treffen müssen und nicht der OB. In der SZ vom 09.10.2012 wird ja der OB zitiert, dass ER die Sanierung stoppen wird. Wo bleibt der Aufschrei der Stadträte? Werden die Stadträte nicht in ihrer Entscheidungsmöglichkeit übergangen? Wo bleibt die journalistische Aufklärung der „Tageszeitung“ in diesem Fall? Vor einem halben Jahr wäre die Berichterstattung anders ausgefallen!

Aber gut. Laut seiner Erklärung hat er ja die Kurve noch bekommen und lässt dann wohl doch großzügiger Weise den Stadtrat entscheiden. Da muss ihm wohl schnell noch jemand etwas gezwitschert haben.

Es mag ja schön sein und vielleicht auch „transparent“ wirken, wenn der OB mit seiner „Erklärung“ versucht den Bürger aufzuklären. Nur, neue Informationen sind das nicht wirklich.

Es wundert schon, dass das Alles in "Abstimmung mit Herrn Dr. Wieler und den Fachämtern" geschieht. Hat der Bürgermeister und haben die Fachämter keine Ahnung? Haben die aus Alibi oder weil nichts zu tun war an dem Projekt gearbeitet? Die Aussage lässt dies vermuten.

Und wie ist das eigentlich mit den Beziehungen nach Dresden? Welche ja jetzt auf einem ganz anderen Level sein sollen. Wird nicht der Ministerpräsident, welcher vor kurzem bei Siemens erklärte, dass die Finanzierung auf der Zielgeraden sei, vor das Schienbein getreten? Wie ernst wird man in der Landesregierung, Landesdirektion etc. die Görlitzer Politik noch nehmen, wenn nach jahrelanger Arbeit kurz vor dem Ziel aus fadenscheinigen Gründen „Stopp“ gesagt wird?

Nun ja, es haben aber jetzt gewisse Leute die Möglichkeit jede Menge Dreck über den ehemaligen OB aus zu kippen. Sicherlich wird in Zusammenarbeit mit einigen „Lokalredakteuren“ diese Möglichkeit genutzt ihm das anzuheften und um von den eigenen Unzulänglichkeiten abzulenken.

Vielleicht hat der OB dabei aber auch nur sein Lieblingsprojekt „Jugendzentrum“ im ehemaligen Waggonbau im Hinterkopf. Ein Schelm, wer böses dabei denkt! Ob sich die Gelder wirklich umlenken lassen wird sich zeigen.

So sieht also der neue Stil aus!

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  • Quelle: red | Archivbilder 2008: BeierMedia.de
  • Erstellt am 10.10.2012 - 06:01Uhr | Zuletzt geändert am 10.10.2012 - 06:33Uhr
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