Erstes zur Sache! Mitteilungsblatt 2013 erschienen

Görlitz, 30. Januar 2013. Wie die Repräsentaten aus Verwaltung und Politik mit den für Görlitz anstehenden Problemen um? Im ersten Mitteilungsblatt des zur Sache! e.V. greift Dr. med. Peter Gleißner das Geschehen auf, hinterleuchtet und kommentiert. Der Görlitzer Anzeiger als unabhängige Plattform macht die Informationen des Vereins - wie auch die von anderen demokratischen Organisationen in Görlitz zur Veröffentlichung bereitgestellten - zugänglich.

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Der Inhalt des aktuellen zur Sache!-Mitteilungsblatts

Thema: zur Sache! e.V.

zur Sache! e.V.

zur Sache! e.V. ist eine Wählervereinigung, die am 16. Februar 2009 in Görlitz gegründet wurde.

Das nachstehende sowie zum Download bereitgestellte Dokument gibt nicht unbedingt die Auffassung der Redaktion, sondern die persönliche Auffassung des Verfassers wieder.

Mitteilungsblatt Januar 2013

Liebe Mitglieder,
sehr verehrte Damen und Herren,

dieses Informationsblatt unseres Vereins erscheint in der Zeit wichtiger Ereignisse
in Görlitz. Wir wollen unseren Mitgliedern Informationen geben, die für die
Beurteilung und Entscheidung anstehender Probleme wichtig sind. Unsere Bitte ist:
Unterstützen Sie unsere Arbeit dadurch, dass Sie diese Informationen weitergeben
oder uns wissen lassen, wer an diesem Mitteilungsblatt Interesse haben könnte.
Zustimmung, Widerspruch oder Ergänzungen erbitten wir unter:
FAX 035829 / 64766 oder E-Mail: zursache@web.de an uns zu richten.

Inhalt:
1. Herzklopfen in Görlitz
2. Absicht oder Versehen
3. Die neue Stadthalle
4. Panem et circenses
5. Direkte Erwiderung!
6. Rundumschlag gegen das Rathaus?
7. Blick auf 2013

1. Herzklopfen in Görlitz

Ein Wanderer, auf Görlitzer Wegen ins Jahr 2013 unterwegs, bekommt Herzklopfen. Denn er sieht, dass die Wegweiser nur in eine Richtung zeigen, steil nach oben ins Blaue. Er erinnert sich: Ende 2012 erstaunte erstmals ein Wegweiser zur Stadthalle: Steil nach oben zeigte er in die Richtung „nirgendwann“.

Wie soll er weitergehen? Nachdem die Große Koalition, allzuständig im Stadtrat, von der inquisitorischen Daueropposition in der Ära Paulick zum stummen Bettvorleger in der Ära Deinege mutierte und nach rund 7 Monaten nur noch die SZ (21.12.2012) die „Rollensuche“ des Oberbürgermeisters schätzt, fühlt sich „Zur Sache!“ verpflichtet, um Auskunft zu bitten: wohin des Wegs?

Der Berichterstatter kam in den Weihnachtstagen neben dem Bürgermeister von Nagold im Schwarzwald zu sitzen, Anlass zu lebhaftem Gedankenaustausch. „Wann beschließen Sie Ihren Haushalt? Ist er ausgeglichen?“, waren die Fragen. „Der ist längst beschlossen und selbstverständlich ausgeglichen. Was glauben Sie, was meine Leute mit mir sonst machten?“ Der 36-jährige Bürgermeister geht erfolgreich den Weg der konsequenten Haushaltskonsolidierung. „Natürlich ist das Ziel eines kontinuierlichen Schuldenabbaus ohne die strenge Besichtigung der freiwilligen Aufgaben nicht zu erreichen. Aber es klappt, meine Stadträte sind sparsame Haushalter.“
Das hörte sich gut an. Aber, gab es das in Görlitz nicht auch schon einmal?

Die nächste Frage geht nach einem Jugendzentrum. Nach kurzer Information über das Görlitzer Vorhaben, dazu einer Zahl, etwa 2 Millionen Euro, schaut der Bürgermeister verwundert staunend und murmelt so etwas wie „Münchhausengeschichte“, so unglaubhaft war das für den soliden schwäbischen Schultheiß.

Deshalb schneller Themenwechsel zum Fremdenverkehr. Was für Görlitz Architektur und Parkanlagen sind, Auslöser erheblicher Fördergelder, das sind für Nagold der Schwarzwald und die Gartenschau – ähnliche Probleme. Was noch? „Wir haben den Hesse und Ihnen sollte eigentlich Gerhart Hauptmann wichtig sein! Unser Touristik-Konzept baut erfolgreich auf diesen Dichter.“ „Recht haben Sie“, meinte der Berichterstatter. „Beide Dichter haben wohl gleichermaßen an Prominenz eingebüßt, aber noch Viel und Wichtiges zu sagen.“ Dann: „Hesse war Zeit seines Lebens auf der Suche nach sich selbst. Damit passt er eigentlich besser nach Görlitz. Hauptmanns pampiges Selbstbewusstsein dagegen weist ihn eher nach Nagold“, versuchte der Berichterstatter zu foppen. Der Bürgermeister war nicht aus der Ruhe zu bringen: “Alles nur Methodenstreit. Bei uns sagt ein Bauer, wenn sein Sohn in die Stadt zieht: Mach´ Geld, mach´ Geld, Hauptsache: Mach´ s!“

„Überall bedarf der Mensch Geduld, überall muss er Rücksicht nehmen!“ Doch so etwas konnte nur Mephisto behaupten. „Zur Sache!“ hält dagegen: Wenn Antworten Monate überfällig sind, sollte nachgestoßen werden: Wir fragten bereits mehrfach nach den eigenmächtigen Stellenvermehrungen im Rathaus, veranlasst durch den Oberbürgermeister. Nach der Hauptsatzung ist dies aber alleiniges Recht des Stadtrates und nur mit dessen Zustimmung möglich. Wer hat diesem Verstoß gegen die Hauptsatzung zugestimmt? Dazu unsere Information: Wir befinden uns im Stadium der Haushaltskonsolidierung. Als Folge dieser Maßnahmen droht zahlreichen Beschäftigten im städtischen Bereich, nach der Ausgliederung (z.B. Museen und Stadtbibliothek) in eine, dann auch städtische, Gesellschaft, eine Bezahlung unter Tarif. Die SZ (15.12.2012) berichtete, dass OB Deinege einen dienstlichen Wochenendausflug nach Schloß Klitschdorf (Kliczków) unternommen haben soll. Dabei habe die gesamte Führungsriege des Rathauses einschließlich Amtsleiter, Referenten und Bürgermeister Wieler - alle per Stadtschleicher „eingeflogen“ - am hochherrschaftlichen Tisch gesessen. Für so etwas war natürlich unsere Görlitzer Gastronomie viel zu poplig. Über die Kosten konnte die Referentin im Rathaus keine Auskunft geben, stand in der SZ.

Vielleicht wurde aber auch nur der Anteil an Steuergeldern verbraucht, den die Absage des Opernballes wieder in die Kassen zurück gespült hat. Dazu erneut: Wir befinden uns im Stadium der Haushaltskonsolidierung.

Abschottung fördert das Entstehen von Gerüchten. Wie dem Berichterstatter „unter der Hand“ aus dem Rathaus mitgeteilt wurde, soll an jedem Mittwoch beim Oberbürgermeister ein „Kränzchen“ stattfinden. Teilnehmer seien die Chefs der Großen Koalition im Stadtrat und Herr Wieler, anschließend wohl die SZ. Wenn das so stimmt, dann sollte dieses Gremium, vielleicht „Exklusiv- oder VIP-Stadtrat“ genannt, in der nächsten Hauptsatzung auch so erscheinen. Nach mancherlei Andeutungen wird von den gleichen Stadträten nämlich schon wieder kräftig an der Änderung der Hauptsatzung, der Görlitzer Stadtverfassung gebastelt. Wie hieß es vor der Wahl? Information und Bürgernähe werde man pflegen. Die Informationen an die Fraktion beschränken sich auf das unbedingt Pflichtgemäße. Besser hat es da die SZ, die auch „Nichtöffentliches“ vor uns erfährt (siehe oben).

Das offizielle Görlitz bedauerte wiederholt, dass mehr als 30% der Kaufkraft aus der Stadt in das nahe oder ferne Umland abfließen, sei es nun nach Zgorzelec, das an jedem Wochenende seine Geschäfte öffnet, nach Dresden oder per Internet. Da erscheint die Diskussion im Stadtrat über die Verhinderung „verkaufsoffener Sonntage auf freiwilliger Basis“ gespenstisch.

Auch ein aufmerksamer Beobachter der Vorgänge „Bewerbung Unesco-Welterbe-Liste“ kommt ins Schleudern. Hieß es doch vor der Wahl, die neue Administration sei hoch aktiv, bürgernah und wolle die Öffentlichkeit zeitnah und sachgerecht informieren. Inzwischen sind Wünschelrutengänger besser informiert. Es geht die Angst um vor dem nächsten Fiasko. Etwa, dass das Bad zwar ausgeschüttet wurde, aber gar kein Kind in der Wanne lag. So etwas lassen die gebotenen Informationen vermuten. Die SZ vom 24.12.2012 will wissen, dass „eine kleine Chance“ für Görlitz besteht, auf die Unesco-Liste zu kommen. Aber darum geht es doch noch gar nicht. Görlitz muss erst einmal auf die sächsische Liste und dann auf die deutsche gewählt werden. Wer nur ein wenig versucht, die aufsteigenden Probleme dieser Bewerbung zu ordnen, der steht staunend vor der Reisetätigkeit des Oberbürgermeisters. Deren Sinnhaftigkeit sollte er doch einmal erklären.

Die SZ (27.12.2012) berichtete von einer völlig neuen Reihenfolge in der städtischen Arbeit. OB Deinege verhandele derzeit mit Händlern und Anwohnern, IHK und anderen Betroffenen eines Problemgebietes und wolle sich dann erst mit dem Stadtrat abstimmen. Völlig neu? Um Auskunft gebeten antwortete Alt-OB Paulick: Das Vorgehen von OB Deinege ist korrekt. Diesen Verfahrensweg haben alle seine Vorgänger ebenfalls beschritten. Neu ist lediglich, dass Unausgegorenes, Geplantes und Vorläufiges als Erfolg in der SZ präsentiert wird.

„Zur Sache!“ hat sich in Sachen Klinikum immer größter Zurückhaltung befleißigt. Denn nur wenige Görlitzer wissen um die fortwährende Gefährdung dieses vordergründig so mächtig erscheinenden Gebildes „Klinikum“. Im Rückblick wird klar, dass das Intrigenspiel der Großen Koalition unter Dr. Weidle vor guter Jahresfrist nur dem Görlitzer Klinikum geschadet hat. Nun hört man in Görlitz wieder von neuen politischen Spielchen um das Klinikum. Gebrannte Kinder meiden das Feuer. Und so wollen wir die Große Koalition warnen, wieder mit untauglichen Plänen die Öffentlichkeit zu verunsichern und dem Klinikum zu schaden. Es beruhigt erst einmal, dass sich OB Deinege für das Konzept seines Vorgängers entschieden hat: Zusammenarbeit mit gesunden Kliniken. Aber, sagte der OB danach sybillinisch, er wolle von einer Position der Stärke mit dem Landrat verhandeln.

2. Absicht oder Versehen

Misstrauen gegen die Mächtigen ist oberste republikanische Tugend. Dabei gilt das zuerst für die Taten, dann aber nicht weniger für das Reden. Politische Sprache ist verräterisch für den, der hören kann. Denn sie verrät Interessen. Welche Worte werden genutzt, welche Inhalte legitimiert?

Im Dezember versandte das Rathaus Grüße zur Jahreszeit an Große und Kleine in der Stadtpolitik. Was da ins Haus flatterte, das bedarf der geistigen Auseinandersetzung:

„Tausend Sterne sind ein Dom/ in stiller, weltenweiter Nacht.
Ein Licht blüht auf im Kerzenschein, / das uns umfängt und glücklich macht.
All dies Schweigen macht uns froh, / ein Leuchten durch die Herzen geht.
Und silbern schwingt der hohe Dom, / vom Hauch der Weihnacht still umweht.
Alles Dunkel sinkt hinweg,/ wir haben unser Licht entfacht.
Es leuchtet uns zum neuen Jahr in tiefer, / sternverklärter Nacht.“

Diese Verse schrieb ein Aktivist der Hitlerjugend und, erneut 1952, als Funktionär der DDR, ein Siegfried Köhler, der zwar weder im Großen Brockhaus noch in einem Literatur-Lexikon zu finden ist, aber trotzdem von 1927 - 1984 gelebt hat. Nur in Wikipedia (Sächsische Biografien der DDR) findet sich die lieb- und hilflose Notiz: „… vielseitiges kulturpolitisches und künstlerisches Wirken… wurde 1978 Mitglied der Akademie der Künste Berlin (-Ost)…Während seines gesamten Berufslebens, … stellte er seine kunsttheoretischen und organisatorischen Fähigkeiten in den Dienst des Komponistenverbands der DDR. Gewiss verstieß K. nicht gegen die ideologischästhetischen Spielregeln der DDR, die höheren Orts ausgegeben wurden…“

Macht diese Information nachdenklich? Das mag jeder selbst entscheiden. Wer dann aber diese pedantisch gereimten Verse liest und über diese schiefen Bilder nachdenkt, die gerade einmal spöttisches Wohlwollen erregen, der erkennt den Grund der Verfeindung so vieler vorzüglicher Schriftsteller in der DDR mit der Diktatur. Es war nicht immer offene Gegnerschaft, immer jedoch gesellschaftliche Verweigerung diesem Spießbürgertum gegenüber. Die feinsinnige Lyrik Reiner Kunzes, die naturverbundenen Verse Eva Strittmatters oder wenigstens die freche provozierende Gebrauchslyrik eines Biermanns hatten in der Zeit dieses Herrn Köhler in der DDR keinerlei Chance.

Deshalb die Frage: Was führte im Rathaus zur Auswahl eines solchen „Gedichtes“? Kamen da Koordinatensysteme zur Anwendung, die unsere Gegenwart nicht berühren? Oder heißt die Botschaft an die Görlitzer Kulturszene: Vorwärts, Kameraden, wir gehen zurück?

3. Die neue Stadthalle

Interessantes ist zu melden: Die Trickkiste im Rathaus hat sich wieder geöffnet. Heraus kam, die Stadträte sollen zustimmen, dass die Görlitzer Jugend durch Haus und Hof gefördert wird. - Ja, wer will das nicht? Ganz im Gegenteil: Noch mehr und noch höher sollte das passieren, ist doch der Wunsch eines jeden.

Doch stutzt dann mancher: Muss diese Anfrage nicht zuerst an den Haushalt der Stadt gehen? Nicht, was wir wollen und wünschen, ist die Frage, sondern was wir leisten können, muss es doch heißen. Welche Folgekosten sind auf lange Zeit tragbar? Doch die Anfrage an den Haushalt geht ins Leere: Wir haben immer noch keinen, auch keinen Entwurf, nicht einmal die Doppik ist eingeführt. Dafür bekommen wir aber erneut eine deutlich erhöhte Kreisumlage mit nicht sicher abschätzbaren Folgekosten. Die Verwaltung muss deshalb auch einige Probleme haben, den Haushaltsplan plausibel hinzubekommen. Anders ist die überlange Verzögerung der Vorstellung des Haushaltes 2013/14 nicht erklärbar. Und von der Höhe der Investiven Schlüsselzuweisung weiß schon gar keiner etwas Gewisses.

Aber „Jugend“ ist ein magisches Wort, das tiefe Sehnsucht weckt, ihr zu genügen. Kann man sich da verweigern? Darf man so kleinlich sein? Deshalb nur eine vorsichtige Anfrage:
Normalerweise baut man ein Haus für Menschen, die im Freien stehen, weil sie keine Behausung haben. In Görlitz beginnt man es umgekehrt: Es wird ein riesiges Jugendzentrum geplant, wie es selbst Deutschlands Hauptstadt nicht hat, im Anfangsteil erst einmal für „nur“ reichlich 2 Millionen. Dann will man warten, ob jemand kommt - aus der Stadt oder dem Umland.

„Wir bauen das erst einmal und sehen dann, ob es angenommen wird…“, waren die Worte des Baubürgermeisters Wieler. Wie in Stadthallenzeiten hat er auch jetzt das Wasserbecken bereit, um seine Hände jederzeit in Unschuld zu waschen: Der Stadtrat brauche doch gar nicht zustimmen. Nur seinen unverbindlichen Willen dazu soll er erklären, heißt es. Aber wie bei der Stadthalle wird es bald danach heißen: Nicht ich, der Stadtrat wollte es. Und wieder wird sich die Öffentlichkeit in ihrem Urteil über den Stadtrat bestätigt fühlen.

Dabei hat OB Deinege vorgeführt, wie man es richtig machen kann. In Sachen Postplatz ist er mit seiner Verwaltung dabei, einen ausgeklügelten Plan zu entwerfen, den er - mit allen notwendigen Informationen - dem Stadtrat dann vorlegen wird. Warum so nicht in der Sache „Jugendzentrum“?

Der bisherige Plan ist eine Ansammlung von Nüssen, die kein Stadtrat knacken kann. Wenige Beispiele: Wer wird Betreiber oder wie viele wird es geben? Wie viel Aufsichtspersonal sind für die zahlreichen Quartiere, die entstehen sollen, erforderlich? An wie viele Jugendausbilder, Sozialarbeiter oder Helfer wird gedacht? Gewiss ist, teilt man mit, dass das Haus vom Nachmittag bis zum Abend geöffnet sein wird. Eine solche Auslastung wagt man heutzutage anzubieten? Was wird der Görlitzer Steuerzahler dazu sagen?Wie zur Zeit der Stadthalle werden wieder wenige rosenrote Zahlen präsentiert.

Folgekosten? Alles nur Bagatellen. Jede Hausfrau aber reagiert mit Gelächter, hört sie allein von den geringen Reinigungskosten, die veranschlagt wurden. Und alles entsteht erst einmal für eine kleine Gruppe etablierter Jugendlicher, einst Wahlhelfer des Oberbürgermeisters. Sieht man in das Görlitzer Statistische Jahrbuch 2011, S. 21, dann erschrickt man – wo sind die Völkerscharen, die kommen sollen?

4. Panem et circenses

„Brot und Spiele“ ist der bleibende Eindruck vom Neujahrsempfang 2013 des Oberbürgermeisters. Alkohol floss in Strömen, die Verpflegung ging weit über die üblichen Schnittchen hinaus und für die Unterhaltung des Publikums war vorzüglich gesorgt. Ein Kinderchor, amüsante Liedvorträge aus den 30er Jahren und schließlich ausgeliehene Tradition, die der Stadtrat gerade begonnen hat: Vereine der Stadt stellen sich vor. Also alles in allem eine gelungene Veranstaltung, wenn da nicht gefehlt hätte, was ein Festchen zu einem Neujahrsempfang macht, weshalb doch die meisten kamen - um vom OB zu hören, was er vor hat? Wie steht es um die Finanzen der Stadt, wie viel Geld haben wir noch für Investitionen? Eben ein Bericht, was die Zukunft bringen soll.

Wenn der Oberbürgermeister auch keine Eckdaten zum Haushalt preisgeben wollte, erwarten durfte man eine Andeutung zur Problemlösung der neuen Kreisumlage, vielleicht auch einen Bericht über die Bemühungen der Stadt, die Erhöhung der Abfallgebühren moderat hinzubekommen. Mit diagnostischem Witz und rationalisierten Seufzern hätte sich ein Festredner auch zum Görlitzer Spezialproblem äußern können, der tiefen Krise unseres Stadttheaters: die vielen enttäuschten Erwartungen, die geringen Publikumszahlen, der ungenierte Anspruch auf hohe Subventionen, eine Intendantendauerkrise, entstanden aus der Unfähigkeit, wirkliche Einsparungen hinzubekommen.

Kann das Theater als immenses Zuschuss-System so am Leben erhalten werden? Dabei hätte ein Verweis auf die enttäuschten Hoffnungen des Landrates das Problem noch klarer erscheinen lassen.

Erwartet wurde auch die Begründung, warum das Denkmal Stadthalle - schönster Veranstaltungsort zwischen Breslau und Dresden, idealer Platz für Musik, Kunst, Familie und Jugend, durch die sicherlich überwältigende Wucht der Argumente des Oberbürgermeisters einer für Millionen umzubauenden Fabrikhalle weichen soll.

Und der Berichterstatter, wie jeder Arzt weniger der Menge als viel mehr dem Einzelnen zugewandt, hätte gern nach den üblichen Glückwunsch-Gepflogenheiten gehört: „… dabei denke ich an jede Görlitzer Familie, jeden Einzelnen. Ein besonderer Gruß gilt den Kranken…, ich denke an die Behinderten. ., ich grüße alle Einsamen.“ Ist das zu viel verlangt? Vielleicht sollte das alles auch gesagt werden, nur hatte scheinbar die Referentin das Redemanuskript verlegt.

Was wurde gesagt? Nach einer kleinen Umfrage fand sich in der Rede nur ein Thema, das alle Befragten herausgehört haben: Die „Neujahrsrede“ des OB war geprägt von einer gefährlichen Selbstbezogenheit. Alle Menschen und Dinge wurden von ihm ausschließlich an ihm selbst und seiner eigenen Perspektive gemessen. Und der Berichterstatter fürchtet, dass die Schnelligkeit, mit der ein Millionen-Projekt wie das Jugendhaus im Werk I durch den Stadtrat „gedrückt“ werden soll, aus diesem Mangel an Unterscheidungsfähigkeit zwischen dem „Ich wünsche“ und der äußeren Realität entstanden ist. Vielleicht liegt in dieser Erkenntnis der Nutzen dieses Neujahrsempfanges.

5. Direkte Erwiderung!

Millionenrisiken erwartet Fraktionschef Rolf Weidle (Bürger für Görlitz/Grüne) im diesjährigen städtischen Etat (SZ 15.01.13). Das bemerkt Herr Weidle heute, vergisst aber dabei, dass er selbst allen vorangegangenen Haushalten nach gründlichen Beratungen und nicht selten umfangreichen Änderungsanträgen zugestimmt hat. Damit hat er seit der politischen Wende maßgeblich den Finanzkurs der Stadt mitgeprägt. Er selbst hat folglich auch die gegenwärtig aktuelle Finanzplanung bis 2015 beschlossen, um nunmehr in gewohnt polemischer Weise "Luftbuchungen" zu unterstellen. Wenn schon damals seine Rechenkünste nicht ausreichten, dies zu erkennen, sollte er wenigstens heute die richtigen Schlussfolgerungen daraus ziehen.

Es ist den Görlitzern noch hinlänglich in Erinnerung, dass Herrn Weidles Verein gemeinsam mit der CDU stets die konsequente und solide Sparpolitik OB Paulicks zu be-, ja zu verhindern suchte, wo es nur möglich schien. Vor wenigen Wochen hat Herr Weidle auch dem kreislichen Haushalt grünes Licht gegeben und damit einer Umlage von 33,5 % zugestimmt. Damit ebnete er den Weg für eine zusätzliche Belastung der Stadt Görlitz auf insgesamt immerhin ca. 17 Millionen Euro. Alt-OB Paulick hatte sich hingegen mit weiteren Kreistags-Kollegen mutig gegen diese erneute Erhöhung, die kaum mehr ein Gemeindehaushalt ohne schwerwiegende Einschnitte abfedern kann, ausgesprochen.

Am 19.12.2012 berichtete die SZ, „Görlitz schwimmt im Geld". Das Jahr 2011 (und damit der letzte Jahresabschluss der „alten Rathausspitze“) wurde mit einem Überschuss von ca. 4,5 Mio EURO abgeschlossen. Wir verzichten auf einen weiteren Kommentar!

6. Rundumschlag gegen das Rathaus? Eine Richtigstellung!

Offenbar zu einem Rundumschlag wollte Stadtrat Weidle wohl jetzt ausholen. Denn er greift den von ihm 2008 ins Amt gehobenen Bürgermeister für Ordnung / Sicherheit / Bau / Kultur / Jugend / Schule & Sport / Soziales, Wieler, frontal an. Mit seiner Bemerkung auf dem Neujahrsempfang seines Vereins: „Bauaufsicht und Denkmalschutz müssen unnötige Behinderungen bei Investitionen umgehend einstellen“ und seiner heute nachgeschobenen Ergänzung: „Da sind viele gute Leute dabei, aber sie sind sieben Jahre lang nicht geleitet und entwickelt worden.“, macht er gegen den zuständigen Bürgermeister, Dr. Wieler, mobil. Denn der trägt für dieses Versäumnis die Verantwortung.

Mittels einer von ihm eingebrachten Beschlussvorlage hatte der gleiche Stadtrat Weidle durch Beschluss des Stadtrates einst OB Paulick untersagt, sich in den Geschäftsbereich Dr. Wielers einzumischen und eine Angelegenheit (damals die Bewerbung zum UNESCOWelterbe) zur „Chefsache“ zu erklären. Bauaufsicht und Denkmalbehörde sind seit 2009 dem Dezernat von Dr. Wieler zugeordnet.

Nicht nur, dass Weidle offensichtlich auf Nachfrage der Presse keinen einzigen Fall von „unnötigen Behinderungen bei Investitionen“ durch die Behörden nennen kann oder will, er scheint auch zu vergessen oder nicht zu wissen, dass die von ihm kritisierten Behörden als solche nach dem Gesetz weisungsfrei zu arbeiten haben.

Ein Stadtrat, der meint, ohne seine Kommentare geht in Görlitz nichts, sollte doch wenigstens diese Grundkenntnisse haben. Aber der Geist weht eben, wo er will.

7. Blick auf 2013

Wir gehen in ein neues Jahr. Das Mitteilungsblatt wird weiter versuchen, die Lage der Stadt kleinteilig zu beschreiben. Im Streit von Ideologie und Praxis wird es weiter versuchen, der Sinnentleerung wie der bloßen Reduktion aufs Ökonomische entgegen zu wirken.

Wir erwarten von der Stadt mehr als den Betrieb dessen, was ohnehin schon da ist. Nur dann hätten wir den Mut zu dem Motto: Nachgeben ist seliger denn Übelnehmen.

Ihr Gleißner


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Mitteilungsblatt des zur Sache! e.V. Januar 2013

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  • Quelle: red
  • Erstellt am 30.01.2013 - 16:10Uhr | Zuletzt geändert am 30.01.2013 - 16:37Uhr
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