Görlitzer Motor-Montag fragt nach den Lehrern und Lehrerinnen

Görlitzer Motor-Montag fragt nach den Lehrern und LehrerinnenGörlitz, 21. April 2022. "Ohne Lehrer, merkt euch das, ist die Schul' ein leeres Fass!" – so könnte man dichten, wenn es einem die Zurückhaltung nicht verwehren würde. Gar nicht zurückhaltend ist der Görlitzer Motor, er klappert, was das Zeug hält, wenn es um die Interessen der Görlitzer Bürger – diesmal an funktionierenden Schulen – geht. Dahinter stecken die klapperstarken kommunalpolitischen Netzwerker von Motor Görlitz.

Abb.: Kommt da etwa unser Lehrer Dr. Specht? Sachsen braucht ganze Schwärme von Spechten und Spechtinnen!
Foto: Ben White, Unsplash License
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Veranstaltung zum Thema Lehrermangel am 2. Mai 2022

Wenn die Görlitzer Motoristen etwas angehen, dann kann man ihrer Klapperei tatsächlich kaum entgehen. Zuerst ploppt die Veranstaltung auf Facebook als "Sag mir, wo die Lehrer sind" auf, dann erklärt Mike Altmann auf seinem Kanal stellvertretend "Wir sind zwar nicht zuständig..." und schließlich, als das Thema schon längst im Radaktionsplan steht, prasselt auch noch eine Pressemeldung dazu herein. Folge: Das Gassigehen für Redaktionshund Rudi Rabauke verzögert sich etwas, doch in Abwägung der Gesamtumstände ist das die Sache wert.

Wie prägend gute Lehrer und Lehrerinnen sein können, weiß jeder, der ein Schulsystem durchlaufen hat und bei dem etwas vom Lernstoff hängengeblieben ist. Sogar aus dem lehrerlichen Versagen kann man fürs Leben lernen: Nie zu vergessen die von allen sehnlich erwartete Stunde in der 8. Klasse, als die Biologielehrerin – eine Absolventin in der Blüte ihrer Jahre und damals noch Fräulein genennt – darlegen sollte, wie die menschliche Fortpflanzung funktioniert und vielleicht auch, wie man sich dabei nicht gar zu dumm anstellt. Doch Fehlanzeige, sinngemäß: "Darüber brauchen wir nicht zu reden, ihr wisst doch alle schon Bescheid!" Nun ja, vielleicht wusste sie ja selbst nicht Bescheid.

Beitrag zur Aufklärung

Womöglich hatte Motor-Sprecher Axel Krüger in der frühen Phase seiner noch immer anhaltenden Sturm-und-Drang-Zeit ein ähnliches Erlebnis, denn er sagt: "Mit dieser Veranstaltung wollen wir aufklären!" Doch gehört es zur journalistischen Sorgfalt, Zitate nicht aus dem Zusammenhang zu reißen, deshalb seine Worte nun im richtigen Kontext: "Mit dieser Veranstaltung wollen wir aufklären und ins Gespräch kommen. Ich hoffe, dass auch Lehrerinnen und Lehrer zu uns finden, denn deren Perspektive kommt häufig zu kurz."

Nun ist es ja wirklich spannend, wenn durchaus lebenserfahrene Leute zu Aufklärern werden. Worüber also soll aufgeklärt werden an diesem mit einem Hingeh-Prädikat zu versehenden Termin:


    • Montag, 2. Mai 2022, 19 Uhr,
      Buchhandlung Art Goreliz (großes Hinterzimmer), Weberstraße 9, 02826 Görlitz
      Wer sich für das Thema Lehrermangel interessiert, ist herzlich willkommen! Selbstverständlich auch Lehrerinnen und Lehrer als Insider und Betroffene!

Kurz gesagt: Es geht um den akuten Lehrermangel in der Oberlausitz. Damit der Abend kein oberflächlicher Meinungsaustausch mit dem Ergebnis "Gut, dass wir einmal darüber geredet haben!" bleibt, kommt auch Kreiselternsprecher Ronald Lindecke. Er will die Lage an der Schulfront mit regionalen Zahlen und Fakten anschaulich erläutern. Im Anschluss haben die motorischen Veranstalter die Absicht, vom Ist in Richtung Soll überzugehen: Dann rückt die Diskussion über mögliche Wege aus der Misere in den Mittelpunkt.

Es brodelt

Schon brodelt es, die Kreiselternräte von Görlitz und Bautzen gehen seit Jahresbeginn in die Offensive. In Briefen forderten sie Bürgermeister und Gemeinderäte auf, sich des Themas Lehrermangel stärker anzunehmen, auch wenn der Freistaat Sachsen zuständig ist. Die Kreiselternräte monieren, ohne wirksame Maßnahmen verschlechtere sich die Bildung der Kinder und Jugendlichen massiv. Schon heute sei der Ausfall von Unterrichtsstunden die Regel und nicht mehr die Ausnahme.

Abgelehnter Antrag wird zum Auftrag

Ende März 2022 hatte die Görlitzer Stadtratsfraktion Motor Görlitz/Bündnisgrüne im Stadtrat einen den Lehrermangel betreffenden Antrag eingebracht. Ihr Anliegen: Oberbürgermeister Ursu soll bei den zuständigen Behörden konkrete Zahlen zu mittel- und langfristig zu besetzenden Lehrerstellen in Görlitz einfordern. Außerdem schlug die Fraktion vor, eine interkommunale Arbeitsgruppe zu initiieren, um gemeinsam mit dem Landkreis Görlitz sowie den Städten und Gemeinden an Lösungen zu arbeiten.

Dieser Antrag wurde mit den Stimmen der CDU und der Bürger für Görlitz (BfG) sowie einem Großteil der AfD abgelehnt. "Wenn sich der Stadtrat mehrheitlich diesem Thema nicht stellen möchte, sind wir als Zivilgesellschaft gefragt. Diesem Auftrag kommen wir gerne nach", so die Schlussfolgerung, wie sie Motor-Sprecher Krüger verkündete.


Kommentar:

Sich einmischen und ein Thema aufmischen zu können, das gehört zum demokratischen Gemeinwesen wie die Katz' zum Daniel Jurke. In mir steigt jedenfalls sofort der Ansatz eines unguten Gefühls auf, wenn irgendwo verkündet wird, "die zuständigen Behörden" würden sich kümmern oder, schlimmer noch, man mit einem "Was geht Sie das an, dafür sind sich nicht zuständig!" beschieden wird.

Wenn das politsch-administrative System in Sachsen es über Jahre hinweg nicht hinbekommt, den Lehrermangel zumindest als quantitatives Problem aus der Welt zu schaffen, dann ist das eine Aufforderung an die Gesellschaft, sich einzumischen – wohlgemerkt nicht als Auf-das-Problem-aufmerksam-Macher oder Meckerer, sondern analysierend und Wege zur Verbesserung aufzeigend. Wie so oft hat das kommunalpolitische Netzwerk Motor Görlitz auch mit dem Thema Lehrermangel einen lange schwelenden Handlungsbedarf aufgegriffen.

Zu wenige Lehrer im Einsatz zu haben, ist jedoch nur die Spitze des Eisberges, unter der sich Herausforderungen im Bildungsbereich verbergen. Erst vor wenigen Tagen hatte ich im tiefsten Bayern eine Dikussion über Lehrausbildung und das Handwerk insgesamt. Die meisten waren der Meinung, zu viele junge Leute würden studieren, zu wenige direkt in die Berufsausbildung gehen. Würde dieser Logik gefolgt, müssten weniger Studienplätze angeboten werden, ergo: Es würde weniger Bildung vermittelt. Ich bin fest überzeugt, die Lösung ist eine andere: Wir brauchen für das Handwerk neue Ausbildungsformen, die mehr Freiheiten einbeziehen, wie sie eben ein Studium bietet. Die bisherige Handwerksausbildung beruht auf der Wissensvermittlung wie mit dem Nürnberger Trichter á la: "Wir wissen, was Du wissen musst!"

Warum aber soll ein Handwerker nicht nicht höheres Wissen erwerben, Abitur machen und eine Ausbildung erleben, in der er neben dem Grundlagenwissen selbst über Vertiefungen und weitere Wissensbereiche entscheiden kann und natürlich auch Auslandsaufenthalte erlebt? Die aus den USA – wo es ein Berufsausbildungssystem wie in Deutschland nicht gibt – stammende Vier-Stufen-Methode – sie besteht aus erklären und vorbereiten, erklären und vormachen, nachmachen und erklären lassen sowie vertiefen und üben bis zu Fehlerfreiheit – ist in Deutschland beliebt, klammert aber kognitves Lernen im Grunde völlig aus. Für die Berufsausbildung würde das bedeuten, dass ein ausgebildeter Handwerker zwar fachlich-praktisch kompetent ist, sich aber gewöhnlich mit weitergehenden Zusammenhängen schwertut.

Hinzu kommt: In Deutschland wird großer Wert auf Bildungsabschlüsse und -zertifikate gelegt. Quereinsteiger in ein Tätigkeitsfeld – Stichwort Lehrer – werden häufig als Angriff auf den Berufsstand empfunden, gerade so, als ob die Eignung und persönliche Reife nur von einem Stück Papier abhängig wären. Gesagt werden muss aber auch, dass Lehrer zu sein ein knallharter Beruf ist, wenn man wirklich dahintersteht. Es gibt eben nicht nur die "lieben Schöler", sondern auch Brennpunktschulen, wo Schüler Gewalt kennen und auch anwenden.

Auf den Motor-Montag darf man jedenfalls gespannt sein,

meint Ihr Thomas Beier

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  • Quelle: red / Kommentar: Thomas Beier, Foto: Ben White, Unsplash License
  • Erstellt am 21.04.2022 - 08:33Uhr | Zuletzt geändert am 21.04.2022 - 12:25Uhr
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